Beziehung Beziehung: Wenn sich die Eltern trennen

Hannover/Ludwigshafen/dpa. - Als sei das Leben nicht schon kompliziert genug: Die Versetzung steht auf der Kippe, das Geld für den Mofa-Führerschein will verdient werden, und die Mädchen aus der Klasse sind zugleich seltsam und interessant. Wenn dann die Eltern aus mehr oder weniger heiterem Himmel eröffnen, dass sie sich trennen wollen, ist das Gefühlschaos perfekt. Das führt bei vielen Jungen und Mädchen sogar dazu, die Schuld für die Probleme der Eltern bei sich selbst zu suchen. Experten wissen, dass das ebenso unnötig ist wie die Angst, mit den eigenen Sorgen die Freunde zu nerven.
Für viele Jugendliche kommt die Ankündigung einer bevorstehenden Trennung der Eltern tatsächlich unvermittelt: «Eltern wollen ihre Kinder damit oft nicht belasten und lassen sie daher lange im Unklaren», sagt Wera Fischer, Familientherapeutin aus Sinsheim in Baden-Württemberg. Deswegen rät sie den Jugendlichen, bei den Eltern nachzuhaken, sobald ihnen deren Umgang miteinander seltsam vorkommt.
Auch Professor Jürgen Mansel vom Zentrum für Kindheits- und Jugendforschung an der Universität Bielefeld rät zur Neugier aus Selbstschutz. «Die Kinder sollten versuchen, mit den Eltern in Kontakt zu treten.» In vielen Fällen lasse sich nur auf diese Weise herausfinden, was zwischen Vater und Mutter vorgefallen ist.
Bei der Neugierde sollte es allerdings bleiben: Versuche, die Beziehung der Eltern zu kitten oder zwischen ihnen zu vermitteln, sind meist zum Scheitern verurteilt. «Am Besten ist es, sich aus den Auseinandersetzungen ganz herauszuhalten», rät die Psychotherapeutin Christiane Papastefanou aus Ludwigshafen. Zugleich kann den Eltern eindeutig gesagt werden, dass eine Rolle als «Kummerkasten» nicht gewünscht ist: «Erzähl das einem anderen!», sei eine legitime Reaktion. Allzu schnell könne es sonst passieren, dass eines der Elternteile den Nachwuchs unbewusst zum «Partnerersatz» macht.
Nach der Trennung halten manche Väter oder Mütter Absprachen über gegenseitige Besuche und die finanzielle Unterstützung nicht ein - weil sie bereits eine neue Beziehung führen oder Geldprobleme haben. Jugendliche, die unter solchen Situationen leiden, sollten sich nicht scheuen, dies offen anzusprechen, rät Reiner Barthel, Familientherapeut von der Gesellschaft für pädagogisch-psychologische Beratung in Hannover. «Selbstbewussten Jugendlichen gelingt das meistens auch ganz gut», macht Papastefanou Betroffenen Mut.
Hilfreicher als Gespräche mit den Eltern ist oft der Austausch mit gleichaltrigen Leidensgenossen - nach denen meist nicht lange gesucht werden muss: «In der Klasse oder im Sportverein gibt es mehr Trennungskinder als man glaubt», sagt Therapeutin Fischer. Diese könnten oft gute Tipps geben. Dennoch könne es helfen, sich auch einem Erwachsenen anzuvertrauen: einem Lehrer, dem Fußballtrainer oder dem Pfarrer beim Konfirmandenunterricht. Dabei komme es darauf an, dass Vertrauenspersonen neutral sind: «Opa oder Oma, Tante oder Onkel schlagen sich oft auf die eine oder andere Seite.»
Egal, wie glimpflich die Trennung der Eltern vonstatten geht, Schuldgefühle kommen trotzdem bei vielen Jugendlichen auf - zu Unrecht: «Die einzigen, die für den Bruch verantwortlich sind, sind Deine Eltern», schreibt Alys Swan-Jackson in ihrem Ratgeber «Zwischen den Stühlen - Wie Jugendlichen mit der Scheidung ihrer Eltern klar kommen». Die britische Autorin rät, sich die Gründe für die Trennung genau vor Augen zu führen - am besten mit Hilfe einer schriftlichen Liste. Dabei werde schnell klar, dass die Kinder in den seltensten Fällen an den Problemen der Eltern schuld sind.
Für Reiner Barthel lautet die entscheidende Botschaft: «Du bist okay, egal wie verwirrend alles um dich herum ist und wie seltsam sich deine Eltern verhalten.» Dies im Kopf zu haben, ist vor allem für Jugendliche wichtig, die sich für ihren eigenen Kummer schämen und sich «uncool» fühlen. Auch das muss nach Aussagen der Experten nicht sein: Sie wissen, dass die meisten Jungen und Mädchen nur den Tod mehr fürchten als eine Trennung der Eltern und dass es daher nichts Außergewöhnliches ist, sich deshalb Sorgen zu machen.
«Die Erfahrung, dass Liebesbeziehungen nicht halten, wenn man gerade selbst die erste Freundin oder den ersten Freund hat, kann schon niederschmetternd sein», weiß Wera Fischer. Sie warnt jedoch davor, deshalb zu glauben, die eigene Freundin oder der eigene Freund seien nun auch bald weg. Besser sei es, die Nähe zum eigenen Partner zu genießen. «Die Beziehungsprobleme der Eltern können dabei ruhig außen vor bleiben», rät auch Professor Mansel.
Literatur: Alys Swan-Jackson, Zwischen den Stühlen - Wie Jugendliche mit der Scheidung ihrer Eltern klarkommen, Kerle im Verlag Herder, ISBN: 3-452-70220-7, Preis: 11 Euro.