Besondere Beziehung Besondere Beziehung: Geschwister sind besser als ihr Ruf

München/dpa. - Denn Geschwister begleiten einen anders als Eltern oder Partner oft ein Leben lang. Dass Kinder nach der Geburt weiteren Nachwuchses «Papa, bring das Baby wieder zurück!» fordern, kommt zwar vor. Aber das Verhältnis zwischen Geschwistern ist inzwischen entspannter als noch vor wenigen Jahrzehnten. «Es gibt nicht mehr diese Abgründe von Eifersucht», sagt der Familienforscher Prof. Hartmut Kasten. Der Umgang miteinander sei partnerschaftlicher geworden - auch weil die Kinder heute nicht mehr auf unterschiedliche Rollen hin erzogen werden.
«Früher wurde der Erstgeborene ganz anders behandelt als das Nesthäkchen», erläutert der Experte für Geschwisterbeziehungen vom Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Die Reihenfolge bestimmt nicht mehr die Rangfolge. «Jedes Kind ist einzigartig, und die Stellung in der Geschwisterreihe ist nur einer von vielen Faktoren, die uns zu dem machen, was wir sind», so der französische Kinderpsychologe Marcel Rufo.
Völlig unbeschwert sind Geschwisterbeziehungen selten - auch in ihrer eigenen Wahrnehmung nicht: «Oft wird vor allem das Negative gesehen», sagt der Psychologe Andreas Kopp. Dabei sind gerade Geschwister fast ideale Gesprächspartner: «Sie sind wie zwei Seiten einer Medaille. Mein Bruder hat einfach den gleichen Hintergrund wie ich», sagt der Leiter der Erziehungsberatung der Caritas in Garmisch-Partenkirchen.
Geschwister profitieren von Anfang an voneinander: «Sie werden schnell zu intensiven Spielgefährten», sagt Kasten. «Schließlich verbringen sie viel mehr Zeit zusammen als mit Eltern oder Freunden.» Bei Streit und Eifersucht müssten sie sich irgendwann zusammenraufen und Kompromisse finden - soziales Training für das ganze Leben.
Aber auch um die eigene Rolle zu finden, kann der Bruder oder die Schwester hilfreich sein: «Mit niemand vergleichen wir uns mehr als mit den älteren Geschwistern», argumentieren die Schulpsychologinnen Christine Kaniak-Urban und Andrea Lex-Kachel. «Aufmerksam verfolgen die Kleinen, welche Plätze im Familiensystem die Älteren besetzen und welche noch frei sind.»
Ob ein Kind Geschwister hat oder nicht, hat auch Auswirkungen auf die Eltern: So hat eine Langzeitstudie mit verheirateten Paaren ergeben, dass Familien mit zwei oder mehr Kindern am zufriedensten sind. Solche mit nur einem Kind erlebten den Nachwuchs dagegen häufiger als Belastung für die Partnerschaft, zeigte die Untersuchung am Staatsinstitut für Familienforschung der Universität Bamberg. 80 Prozent der Eltern mit nur einem Kind gaben an, sie hätten gerne noch mehr Nachwuchs gehabt.