Testbericht zum Lada Granta Testbericht zum Lada Granta: Das billigste Auto, das es in Deutschland zu kaufen gibt

Mit Erinnerung ist es natürlich so eine Sache. Aber der 1600er Lada schien vielen DDR-Autofahrern wohl ein begehrenswertes Autos zu sein, ein Viertakter aus Freundesland. Er sah nicht unflott aus mit seinen Doppelscheinwerfern und innen gab es eine gewisse Eleganz, die sich von den Zweitaktbrüdern aus Eisenach und Zwickau abhob. Kräftig war er, schneller als andere, das wusste auch die Volkspolizei zu schätzen.
Wassergekühlter Vier-Zylinder-Reihenmotor mit 87 PS, 1,6 Liter Hubraum, 140 Nm Drehmoment, fünf Gänge, ABS, ESP. Spitze 168 km/h. Norm: 6,6 Liter auf 100 km, Tank 50 Liter, Länge 4,26 Meter, Kofferraum 480 Liter. Preis: 6 990 Euro.
Die russische Marke Lada versucht seit Jahren, einen Fuß in die Tür zum deutschen Markt zu bekommen, aber ohne nennenswerten Erfolg. Einzig der Lada Niva, ein seit fast vierzig Jahren fast unverändert gebauter rustikaler Klein-Geländewagen, erfreut hier und da mal einen Jäger oder Bauern.
Nun versuchen es die Autobauer aus dem 1.000 Kilometer östlich von Moskau gelegenen Togliatti mal wieder, jetzt in der Golfklasse. Granta heißt der neuerliche Versuch. Es ist das billigste Auto, das man momentan in Deutschland kaufen kann. Er kostet ab 6.990 Euro und hängt noch den Dacia Sandero ab. Was darf man zu einem solchen Preis erwarten? Nicht viel, das ist klar. Der Granta bedient zu allererst wesentliche Bedürfnisse jener Autokäufer, die mit jedem Cent rechnen müssen. Der Wagen hat uns zuverlässig einige hundert Testkilometer von A nach B gebracht. Er sprang zuverlässig an, er zog mit seinen 87 PS akzeptabel ab und die Bremsen brachten den Wagen zum Stehen. Nur ein Fahrgenuss stellt sich niemals ein.
Markanter Vierzylinder
Dass man sich dem Wagen schon von außen mit Skepsis nährt, haben seine russischen Entwickler selbst verschuldet. Das äußere Design wirkt wie von vorgestern, knuffig, gedrungen. Die Räder scheinen viel zu klein in großen Radhäusern. Alles wirkt grob gezeichnet, nicht wirklich gut proportioniert. Auffallend die großen Fenster, deren Vorzug man innen schätzt: gute Rundumsicht. Wer die Fenster öffnen will, muss per Hand kurbeln. Innen geht man auf Zeitreise: So wurde vor zwanzig Jahren mal gebaut, überall grobe Hartplastik, nicht sehr kratzfest, knarrend immer wieder mal.
Alle wichtigen Informationen, werden zweckmäßig angezeigt: Tempo, Drehzahl, Licht. Das Licht macht die Nacht hell, aber ist meilenweit bei Lichtstärke und Lichtverteilung vom heutigen Standard entfernt. Komplizierte Bedienmenüs gibt es im Granta nicht, er hat kein Display mit allerlei Schnickschnack, auch mal ganz wohltuend. An den groben Plasteknöpfen drehen und es wird - vorzüglich - warm oder auch kälter, ganz ohne Klimaanlage. Die Sitze sind im Inneren offenbar schlicht strukturiert, breit zwar, aber bequem ist anders, besonders die Rückenlehne meldet sich immer mal nachhaltig bei der Wirbelsäule. Platz ist im Innenraum reichlich, vor allem nach oben hin. Der Kofferraum fasst respektable 480 Liter, mehr wird es, wenn die Rücksitzlehne umgelegt wird, geht aber nur im Stück, nicht geteilt. Grobe Scharniere im Kofferraum dezimieren den Laderaum in unverständlicher Weise.
Die Federung des Wagens ist zwiespältig. Sie tut das Nötigste, wenn sie nicht gefordert wird, poltert hart auf schlechten Wegen und geht es mal schnell in Kurven hinein, neigt sich der Wagen, dass man sich fragt, warum Konstrukteure so etwas tun. Aber immerhin ist ABS an Bord und ESP gibt es auch. Angaben über eine Crash-Test-Klassifizierung waren nicht zu finden.
Der Vierzylinder-Reihenmotor mit seinen 1.6 Litern Hubraum ist ein lauter Geselle, der bei hohem Tempo die Unterhaltung stark stört. Er produziert schwer definierbare Geräusche, besonders in der Startphase. Es schleift und rattert und macht sonst irgendwas. Man glaubt, irgendwo ist was nicht in Ordnung. Da gewöhnt man sich aber dran, denn es passiert nichts, man hört irgendwann nicht mehr hin, weil zu spüren ist, dass das Auto doch im Rahmen seiner Möglichkeiten ganz gut fahren kann. Es ist kein Sprinter, aber er zieht ordentlich an (Drehmoment 140 Nm - bei 3 800 Umdrehungen pro Minute). Gut, dass er gerade mal 1 135 Kilo wiegt.
Anfällig bei Seitenwind
Der Granta will fleißig geschaltet werden, damit er halbwegs flott unterwegs ist, immer schön Gänge ausfahren. Seine fünf Gänge rasten markant ein, da vertut man sich kaum, nur der Rückwärtsgang braucht viel Gefühl und Kraft, aber dann ist er hörbar drin. Der Motor mit seiner altertümlichen Konstruktion (u. a. nur zwei Ventile pro Zylinder) ist fit gemacht worden für Euro 6, steht im Datenblatt (Kohlendioxidausstoß 149 g/km). Zwischen sieben und neun Litern pro 100 Kilometer wurden im Test mit dem Benziner erreicht. Irgendwann freundet man sich an mit dem Granta, weiß, was man erwarten kann und wartet auf nichts anderes. Nur in einem Punkt bleibt der Tester geradezu erschrocken zurück. Dieses Auto kann fast 170 km/h fahren, fühlt sich am wohlsten so um die 130. Es liegt dann akzeptabel stabil auf der Straße.
Aber dann: Wenn starker Seitenwind aufkommt, wird die Weiterfahrt so bedrohlich, wie das noch nie bei einem Test zu erleben war. Völlig unvermittelt setzt das Auto schon ab Tempo 100 bei kräftigen Seitenwindböen sprunghaft zur Seite. Es ist nur schwer möglich, das mit der gefühllosen Lenkung zu beherrschen. Das Auto schwimmt, man bekommt Angst und bremst zügig ab. Was da im Lenkungsbereich vor sich geht, ist rätselhaft. Da begibt sich der Lada Granta - preiswert hin, preiswert her - in einen Grenzbereich, der nicht zu tolerieren ist. Dabei könnte man - mit etwas Toleranz - dem 7.000 Euro-Wagen Eigenschaften attestieren, die die automobile Grundversorgung sehr zweckmäßig garantieren. (mz)
