Technik Technik: Luftführung sorgt für bessere Fahreigenschaften

Ingolstadt/Stuttgart/dpa. - Spoiler genießen bei manchen Autofahrern einen zweifelhaften Ruf. Schließlich sind die Luftleitbleche ein beliebtes Accessoire der Tuning-Szene, die ihre tiefer gelegten Karossen gern mit protzigem Flügelwerk schmückt. Dabei sind die Kunststoffteile nicht mehr aus dem Automobilbau wegzudenken: Weil sie die Aerodynamik-Eigenschaften und damit den Luftwiderstand und Spritverbrauch beeinflussen, montieren Hersteller sie längst an ihre Serienfahrzeuge - wenn auch etwas dezenter als die Tuner: Ein bevorzugter Einbauort ist unter dem Bodenblech.
Die Form der Fahrzeugkarosserie werde zunehmend vom Design statt von aerodynamischen Kriterien bestimmt, sagt Professor Jochen Wiedemann, Aerodynamik-Experte und Leiter des Forschungsinstituts für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren (FKFS) in Stuttgart. Da sich der Luftwiderstand jedoch stark auf den Kraftstoffverbrauch auswirke, versuchten die Hersteller, die Aerodynamik am Unterboden zu verbessern. Außerdem lasse sich dort beim Luftwiderstand noch viel herausholen: Alle unlackierten Teile des Autos, also auch Unterboden und Radhäuser, machten rund 45 Prozent des Luftwiderstands aus.
Um die Luft bei der Fahrt möglichst schnell und ohne Verwirbelungen unter dem Fahrzeug durchströmen zu lassen, versuchen die Hersteller laut Wiedemann, den Fahrzeugboden «zu glätten». Luftwirbel, die etwa an hervor ragenden Karosserieteilen entstehen, erhöhen den Luftwiderstand. Bei der Bodenkonstruktion komme es daher vor allem darauf an, die Luftströmung geschickt an Motor- und Getriebekapsel, Quertraversen und Leitungen entlang sowie an den Radhäusern vorbei zum Fahrzeugheck zu führen, so der Fachmann.
Audi beispielsweise verwendet zu diesem Zweck bei der neuen Generation des Kompaktwagens A3 eine aerodynamisch wirksame Unterbodenverkleidung, so Pressesprecher Josef Schloßmacher in Ingolstadt. Diese Kunststoffabdeckung bewirke, dass die Luftströmung am Fahrzeugboden glatt und nahezu verwirbelungsfrei anliegt.
Bauteile, die nicht verkleidet werden können - etwa Auspuff, Katalysator und Schalldämpfer - seien strömungsgünstig in den Boden integriert, so dass das Fahrzeug eine homogene Unterfläche besitzt. Der neue A3, der Anfang Mai auf den Markt kommt, erreicht einen für die Kompaktklasse verhältnismäßig günstigen Luftwiderstandsbeiwert (cW-Wert) von 0,31. An den Vorderkanten der vier Radhäuser des A3 befinden sich laut Schloßmacher zudem so genannte Radspoiler. Diese Bauteile sollten die in diesen Bereichen auftretenden Luftverwirbelungen wieder «glätten» und zudem das Bremssystem von Spritzwasser und Verschmutzungen frei halten sowie für eine ausreichende Kühlung sorgen.
Erreicht würden diese Effekte durch eine veränderte Luftzuströmung zu den Rädern, erklärt FKFS-Leiter Wiedemann. Radspoiler sollten in erster Linie verhindern, dass die Luft bei der Fahrt frontal gegen die Reifen prallt, wodurch der cW-Wert steigen würde. Durch die Leitbleche, die deutlich schmaler als der Reifen sein sollten, werde die Luft geschickt um die Räder herum geleitet. Dadurch würden weniger Wirbel verursacht. So entstehe im Radhaus gleichzeitig ein geringerer Druck, der das Ein- und Ausströmen von Luft verringert.
Ein Nebeneffekt der Radspoiler ist laut Wiedemann die Verringerung der Auftriebskräfte an der betreffenden Achse. Dies sei vor allem bei Fahrzeugen von Bedeutung, die Geschwindigkeiten von mehr als 200 Kilometer pro Stunde (km/h) fahren können. Ein reduzierter Auftrieb lässt das Fahrzeug stabiler auf der Straße liegen. Dadurch können beispielsweise Kurven schneller durchfahren werden.
Diesen Effekt machen sich Sportwagenhersteller schon seit längerem zu Nutze. So besitzen laut Stefan Marschall, Pressesprecher bei Porsche in Stuttgart, sämtliche Modelle des Herstellers eine aerodynamisch günstige Unterbodenverkleidung. Diese soll laut Michael Preiss, Leiter der Abteilung Aerodynamik, aber nicht unbedingt einen möglichst niedrigen cW-Wert bewirken: «Vorrangiges Ziel der Aerodynamiker ist es, die Fahrstabilität sowie das Fahrverhalten zu verbessern und den Auftriebskräften entgegen zu wirken.»
Neben einer möglichst glatten und fahrbahnnahen Oberfläche besitzen daher die Unterböden von Supersportwagen - wie der im März beim Genfer Automobilsalon vorgestellte Carrera GT - Stefan Marschall zufolge eine spezielle Geometrie, die einen regelrechten «Ansaugeffekt» bewirkt. Im Bereich der Achsen ist dazu der Boden laut Michael Preiss gewölbt, wodurch dort die Luftströmung beschleunigt wird. Ähnlich wie bei Flugzeugtragflächen werde dadurch ein «lokaler Unterdruck» erzeugt, der das Fahrzeug nach unten presst.
Wie ein Formel-1-Rennwagen besitze der Boden im Carrera GT zudem Strömungskanäle, die ebenfalls den Auftrieb verringern, so Preiss. Dazu diene auch der Diffusor, der die Luftströmung im Fahrzeugheck entlang des Unterbodens nach oben führt und zudem dafür sorgt, dass sie immer an der Bodenfläche anliegt. Diese aerodynamischen Kniffe tragen laut Preiss dazu bei, dass der Sportwagen selbst bei einer Spitzengeschwindigkeit von 330 km/h stabil auf der Straße liegt.
Für die Fahrer der meisten Großserienfahrzeuge spielt hingegen die Verringerung der Auftriebskräfte eine kleinere Rolle. Sie werden wohl eher von den mit den Aerodynamik-Eingriffen verbundenen verbesserten Komforteigenschaften profitieren: So reduziert etwa die strömungsgünstige Unterbodenverkleidung am neuen A3 laut Audi-Sprecher Josef Schloßmacher automatisch auch die während der Fahrt entstehenden störenden Windgeräusche.
