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Technik Technik: Das Antiblockiersystem wird 25 Jahre alt

15.04.2003, 11:29
Lenken auch bei Vollbremsung - ABS-Systeme sorgen dafür, dass die Räder eines Fahrzeugs beim Bremsen nicht blockieren. (Foto: dpa)
Lenken auch bei Vollbremsung - ABS-Systeme sorgen dafür, dass die Räder eines Fahrzeugs beim Bremsen nicht blockieren. (Foto: dpa) Bosch

Stuttgart/dpa. - Der entscheidende Durchbruch gelang erst 1978 dem Automobilzulieferer Bosch aus Stuttgart: Vor 25 Jahren ging das Bosch Antiblockiersystem ABS in Serie, zuerst in einem Mercedes-Benz-Pkw, einen Tag später auch in einem BMW.

«Das ABS ist ein sicherheitsrelevantes Fahrerassistenzsystem», sagt Wolf Stankowitz vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) in Bonn und zitiert eine Empfehlung des DVR: «Fahrerassistenzsysteme haben nicht nur eine Verbesserung des Komforts für den Fahrer, sondern auch eine erhebliche Verbesserung der Sicherheit gebracht und zu einer Reduzierung der Straßenverkehrsunfälle beigetragen.» Vorher hätten Autofahrer bei Glätte ihr Fahrzeug nur durch Stotterbremsen einigermaßen sicher und spurtreu abbremsen können - was häufig aber nur geübten Fahrern gelang.

Die Ungeübten hält das ABS mit Hilfe von drei Komponenten in der Spur: einem Drehzahlfühler an jedem Rad, einem elektronischen Steuergerät sowie einem Hydroaggregat. Die Drehzahlfühler registrieren beim Bremsen die Veränderung der Raddrehzahl und geben diese Daten an das Steuergerät weiter. Ergibt sich aus dem Abgleich der gelieferten mit den dort gespeicherten Daten, dass ein Rad zu blockieren droht, erteilt das Steuergerät dem Hydroaggregat den Befehl, den Bremsdruck zu mindern, bis das Rad sich wieder dreht.

Stellt das Steuergerät fest, dass die Verzögerung nicht mehr optimal ist, löst es wieder eine Steigerung des Bremsdrucks aus. In etwa einer halben Minute wiederholt das ABS den geschilderten Regelzyklus rund 1200-mal. Im Auto bemerkt man das durch ein ratterndes Geräusch und ein leichtes Pulsieren des Bremspedals.

Bei vielen modernen Autos ist das Rattern, speziell bei schnellen Kurvenfahrten, auch zu hören, wenn der Fahrer nicht auf die Bremse tritt. Dann greift eine Weiterentwicklung des ABS ein: das Elektronische Stabilitätsprogramm ESP. «Das ESP ist ein System, das mit dem ABS und der Antriebsschlupfregelung ASR vernetzt ist», erläutert Bosch-Sprecher Thomas Knoll. Sein Kollege Stefan Mischo, Entwickler für Bremsregelsysteme, ergänzt: «Die Grenzen der Physik kann auch ESP nicht überwinden. Aber das System kann alles physikalisch Mögliche tun, um das Fahrzeug am Schleudern zu hindern.» Durch gezieltes Abbremsen einzelner Räder sowie gegebenenfalls ein Zurücknehmen der Motorleistung werde das Fahrzeug auf Kurs gehalten.

«Durch ESP können schwere Schleuderunfälle verhindert werden», sagt Thomas Knoll und verweist auf eine Studie des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin. Demnach gehen 25 Prozent der Autounfälle mit schweren oder tödlichen Verletzungen auf Schleudervorgänge zurück, bei denen im Anfangsstadium kein weiteres Fahrzeug beteiligt ist.

«Ein hoher Anteil der tödlichen Verletzungen lässt sich auf den Seitenaufprall nach Schleudern des Fahrzeugs zurückführen», sagt Unfallforscher Professor Klaus Langwieder vom Institut für Fahrzeugsicherheit in München, der für die Studie verantwortlich ist. Im Gegensatz zu den Knautschzonen im Front- und Heckbereich seien die Möglichkeiten des Insassenschutzes beim Seitenaufprall geringer.

Eine weitere wichtige Komponente elektronischer Regelsysteme ist die Bremsanlage selbst. Der Sportwagenhersteller Porsche aus Stuttgart zählt bei der Entwicklung von Bremsanlagen zu den Vorreitern. «Die Entwicklung von Bremsanlagen ist für Porsche Kernkompetenz», so Pressesprecher Stefan Marschall. «Ein echter Sportwagen definiert sich nicht nur über eine hohe Motorleistung und ein überlegenes Fahrwerk, sondern auch über eine hohe Bremsleistung.» Dabei soll die Verzögerungsleistung drei mal so hoch sein wie die Motorleistung.

Eine wichtige Rolle bei der Bremsenentwicklung spielt bei Porsche der Rennsport. Schon 1977 setzte der Hersteller in seinem Straßenfahrzeug 911 Turbo Bremsen aus dem Rennfahrzeug 917 ein, die als Gegenpol zu dem 221 kW/300 PS starken Boxermotor wirkten. Die aktuellen Keramikbremsscheiben, die im Jahr 2000 als Weltneuheit vorgestellt wurden und serienmäßig in den Supersportwagen Carrera GT und GT 2 eingebaut sind, wurden auf der Hochgeschwindigkeitsrennstrecke in Nardo bei Lecce in Süditalien erprobt.

Damit der nachfolgende Verkehr den Bremsvorgang auch erkennt, schreibt der Gesetzgeber Bremsleuchten vor. Doch auch hier verbessert mittlerweile die Elektronik die Wirkung: «Wir haben im aktuellen Siebener und auch im neuen Fünfer Bremsleuchten, deren Leuchtflächen sich bei steigender Verzögerungsleistung vergrößern», so BMW-Sprecher Alfred Broede. Zu sehen sei das aber bisher nur in den USA, denn für Europa fehle dafür die gesetzliche Zulassung, mit der frühestens 2004 zu rechnen ist. «Dann darf die Werkstatt das System freischalten.»