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Unfallforscher und Mediziner Risiko Pedelec - so vermeiden Sie gefährliche Unfälle

Vom Auto aufs Rad umsteigen: Das ist gut fürs Klima und im Sinne der Verkehrswende. Der E-Bike-Markt boomt. Doch dadurch steigt auch die Zahl an Unfällen mit diesen Rädern. Wie fährt man sicherer?

Von Lena Lachnit, dpa 14.08.2023, 17:42
Flinker im Verkehr: An die Motorunterstützung eines Pedelecs muss man sich aber erst mal gewöhnen.
Flinker im Verkehr: An die Motorunterstützung eines Pedelecs muss man sich aber erst mal gewöhnen. Zacharie Scheurer/dpa-tmn

Berlin - Von wegen, nur Ältere benutzen Fahrräder mit E-Motor: Die Nutzerinnen und Nutzer von Pedelecs werden jünger. Teils sind schon Grundschulkinder mit elektrogestützten Fahrrädern unterwegs.

Das Problem dabei: Ihnen fehlt die Erfahrung im Straßenverkehr. Und mit den E-Bikes sind sie bei vergleichsweise geringer Kraftanstrengung sehr schnell unterwegs.

Denn Pedelecs sind Räder, die beim in die Pedale Treten mit einem Motor unterstützen - und zwar bis zu einem Tempo von 25 km/h. Fährt man schneller, schaltet die Motorunterstützung ab.

Dr. Christopher Sperin, Vorsitzender der Sektion Prävention in der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, sagt: Ein „physiologisch rückgekoppeltes Fahren“ wie beim normalen Fahrrad lernen die Kinder dadurch eher nicht mehr.

„Wir brauchen eigentlich so was wie eine Eingewöhnungszeit“, so Spering. Er arbeitet als Oberarzt an der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der Universitätsmedizin Göttingen.

Ein Mindestalter für die Nutzung von Pedelecs gibt es nicht. Der ADAC rät auf seiner Internetseite allerdings, dass Kinder bis 14 Jahre „wegen der Eigenheiten beim Beschleunigen“ lieber nicht mit E-Bikes fahren sollten.

Mehr E-Fahrräder, mehr Unfälle

Zunächst waren diese Bikes eher bei der älteren Generation beliebt, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Das ändere sich nun.

E-Modelle machten schon jetzt die Hälfte aller Fahrradkäufe aus, Tendenz weiter steigend, heißt es vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Und weiter: Wer ein Fahrrad mit Motor besitzt, fährt damit häufiger und auch längere Strecken als mit Fahrrädern ohne Motor. Im Sinne des Klimaschutzes ist das eine begrüßenswerte Entwicklung.

Nur: Entsprechend der wachsenden Zahl an verkauften E-Bikes und Pedelecs nehmen die Unfälle damit zu, wie Statistiken zeigen. Die häufigsten Verletzungen seien Schädel-Hirntraumata, Verletzungen der oberen Extremitäten - beispielsweise Handgelenksbrüche - sowie Prellungen und Verletzungen des Brustkorbs, zählt Mediziner Spering auf.

Wie ist man sicherer unterwegs

Ein Fahrunfall mit einem Verlust der Kontrolle übers Gefährt passiert Unfallforscher Brockmann zufolge bei schwereren Pedelecs deutlich häufiger als bei normalen Fahrrädern. Mediziner Spering appelliert deshalb: „Wir müssen lernen, mit diesen Fahrzeugen umzugehen.“

Ein heikles Thema gerade für Anfänger: Das Abbremsen aus der oft ungewohnt hohen Geschwindigkeit, die man mit einem Pedelec erreicht.

Der ADFC rät: Wer ein E-Fahrrad kauft, sollte sich vor der ersten Ausfahrt mit dem Antriebs- und Bremsverhalten vertraut machen, beispielsweise bei einer ausführlichen Probefahrt oder einem Sicherheitstraining.

In einigen Regionen bietet der ADFC E-Bike-Trainings an - doch laut einer Sprecherin sei die Nachfrage nach Kursen nicht besonders hoch. „Das Problem ist, dass viele nicht hingehen, weil sie glauben, sie hätten es nicht nötig“, sagt Unfallforscher Brockmann.

Helm auf und zurückhaltend fahren

Pedelecs zählen rechtlich als Fahrräder. Das heißt: Es gibt keine Versicherungspflicht, man braucht keinen Führerschein für sie. Auch eine Helmpflicht besteht nicht - anders als etwa bei den schnelleren S-Pedelecs mit Motorunterstützung bis 45 km/h.

Mediziner Spering appelliert aber auch an Fahrerinnen und Fahrer von normalen Pedelecs: „Tragt Helm, fahrt eher zurückhaltend und nicht am Limit.“ Zudem rät er: lieber einmal ein bisschen passiver sein, als auf seinem Vorfahrtsrecht zu beharren.

Auch Fußgänger, andere Radler oder Autofahrer unterschätzten oft die höhere Geschwindigkeit und die Beschleunigung von Pedelecs, warnt der ADAC. Umso wichtiger sei vorausschauendes und umsichtiges Fahren seitens der Pedelec-Nutzer.

Das heißt zum Beispiel: Blickkontakt mit abbiegenden Autofahrern aufnehmen und selbst auch rechtzeitig das Abbiegen anzeigen.

Besondere Vorsicht ist an Kreuzungen, Einmündungen sowie Ein-und Ausfahrten - etwa von Tankstellen und Supermärkten - geboten. Hier passieren Unfallforscher Brockmann zufolge die meisten Unfälle.

Was ist ein Pedelec?

Pedelec steht für „Pedal Electric Cycle“. Die trotz Motor zu den Fahrrädern zählenden normalen Modelle unterstützen bis 25 km/h mit einem bis maximal 250 Watt starken Motor beim Treten. Wer von einem E-Bike redet, meint eigentlich oft ein Pedelec.

S-Pedelecs wiederum sind Kleinkrafträder und unterstützen bis 45 km/h. Laut dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) benötigt man unter anderem ein Versicherungskennzeichen, mindestens einen AM-Führerschein und muss mindestens 16 Jahre alt sein.

E-Bikes im engeren Sinn kann man laut ADFC „mithilfe des Elektroantriebs durch einen Drehgriff oder Schaltknopf fahren, auch ohne dabei in die Pedale zu treten“.

Diese gelten als Kleinkraftrad, wenn sie maximal 500 Watt Motorleistung haben und maximal 25 km/h erreichen. Sie seien mit Elektromofas zu vergleichen - wer ab dem 1. April 1965 geboren ist, braucht zum Fahren mindestens eine Mofa-Prüfbescheinigung. Am Markt spielen diese Gefährte laut ADFC kaum eine Rolle.