Oldtimer Oldtimer: Mit Hightech zum Stillstand

Frankfurt/Main/dpa. - Klassische Automobile sind oft ein Hingucker. Und ihre Besitzer verwenden in der Regel viel Geld und Mühe darauf, die geliebten Oldtimer fahrtüchtig zu halten. In Zukunft allerdings kann es nach Einschätzung von Experten dazu kommen, dass mancher kommende Klassiker auch mit viel Mühe nicht mehr in Bewegung zu bringen ist. «Von den heutigen Autos wird es höchst wahrscheinlich keine fahrenden Oldtimer mehr geben», sagt Jochen Hövekenmeier, Sprecher des Automobilclubs von Deutschland (AvD) in Frankfurt. Denn während die Hersteller mit immer neuem elektronischen Zubehör werben, machen sich Zulieferer und Fachleute Sorgen darüber, wie es mit der Langzeitversorgung an elektronischen Ersatzteilen aussieht.
Das Problem liegt vor allem in der Vielzahl elektronischer Bauteile und der immer schnelleren Weiterentwicklung - vor allem bei der immer aufwendiger werdenden Motorsteuerung mit immer neuen Chips. Laut dem Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) in Frankfurt ist es mittlerweile so, dass Bauelemente, die heute noch als Vision erscheinen, nach einem Jahr verfügbar und in zwei Jahren technisch überholt sind. Für die Branche bringe dies gerade im Hinblick auf die von den Automobilherstellern geforderten Liefergarantien von bis zu 25 Jahren Probleme.
«Diese Thematik ist nach wie vor eine große Herausforderung», sagt Christian Pophal, stellvertretender Geschäftsführer des Fachverbandes Bauelemente und Elektronik im ZVEI. So sei es beispielsweise nicht einfach, die Halbleiter, die das «Gehirn der Elektronik» darstellen, überhaupt lange Zeit zu lagern. Häufig sei eine Lagerung der Bauteile nur unter aufwendigen Bedingungen, wie beispielsweise unter Stickstoffatmosphäre möglich. Wenn nun ein elektronisches Bauteil einen nicht mehr erhältlichen Halbleiter im Austausch benötigt, müsste unter Umständen das komplette Bauteil-Design geändert werden.
Einen einheitlichen Lösungsansatz für die möglichen kommenden Probleme gibt es laut dem ZVEI derzeit noch nicht. Zumindest hat der Zentralverband vor kurzem ein Weißbuch zu diesem Thema veröffentlicht, das eine Bestandsaufnahme der Situation darstellt und Empfehlungen ausspricht. An der Initiative sind Elektronikhersteller ebenso wie Automobilhersteller beteiligt.
Beim Elektronik-Produzenten Bosch in Stuttgart macht man sich dagegen weniger Sorgen. Die Langzeitversorgung sehe man als gesichert an, heißt es. So betreibe man einerseits eine umfangreiche Lagerhaltung an unterschiedlichsten Bauteilen. Und alles, was man nicht auf Lager habe, könne nachproduziert werden.
Trotzdem ist man sich nach Angaben eines Bosch-Sprechers bewusst, dass es «inzwischen eine unglaubliche Menge verschiedener Bauteile gibt.» Probleme erwarte man für die Zukunft allerdings eher bei exotischen Fahrzeugen. «Wir werden sicher versuchen, jedem zu helfen - aber niemand kann sagen, ob für bestimmte Exoten hundertprozentig jedes Teil zu haben sein wird.»
Für AvD-Sprecher Jochen Hövekenmeier steht es trotz solcher Beteuerungen außer Frage, dass die Probleme kommen werden: «Das ist ähnlich wie bei Computern. Wer einmal versucht hat, für einen technisch überholten Computer Teile zu besorgen, weiß, wie schwer das ist.» Viele Teile, die in Zukunft erhältlich sein werden, könnten nicht mehr mit älteren Fahrzeugen kompatibel sein - das neue Bauteil passt also schlicht nicht ins alte Auto.
«Besonders gilt das alles für die Autos ab etwa Baujahr 1995», so Hövekenmeier. Zwar habe es auch zuvor einiges an Elektronik im Auto gegeben, doch der Boom habe Mitte der neunziger Jahre eingesetzt. «Das Problem hat sich durch die Technikhörigkeit verselbstständigt - die Techniker haben entwickelt, ohne zu fragen, was der Fahrer wirklich will.» Ein Umkehrprozess sei noch nicht in Sicht.
Eine Folge ist nach Angaben des AvD-Sprechers, dass für einige potenzielle Klassiker von Morgen «keine artgerechte Haltung» möglich sein wird, wenn sie ihr Oldtimeralter erreicht haben. «Der Mercedes SLK könnte dazu gehören oder auch ein BMW Z8 - der hat das Zeug zum Klassiker, wird es aber wohl nicht erleben.»
«So richtig beginnen wird das Problem in rund zehn Jahren», meint Hövekenmeier. «Dann sind die Autos alt, aber noch keine echten Klassiker.» Und gerade zu diesem Zeitpunkt kommt es auf die Ersatzteilversorgung für wichtige Dinge wie die Motorelektronik an, die einen Wagen über die folgenden Jahre retten könnte. «Manches Auto wird später aber einfach nur noch herumstehen können.»
Dass es aber nach der vielleicht verlorenen Generation von Autos neue Möglichkeiten geben kann, zeigen Projekte wie das von CapeWare aus Mannheim. Dort hat man mit BMW ein System entwickelt, das erstmals in der neuen 5er-Generation zum Einsatz kommen soll. Laut Geschäftsführer Jürgen Kaiser bietet das Cape/C genannte System einerseits die Möglichkeit, in den weit verzweigten Elektronik-Netzen herauszufinden, wie sich ein Fehler auswirkt, und woher er kommt. Außerdem soll es eine so genannte Update-Fähigkeit bieten, die in späteren Jahren die Funktionsfähigkeit der Elektronik ohne allzu großen Aufwand sicherstellen kann. Nach BMW gibt es laut Kaiser jetzt auch Pilotprojekte mit Volkswagen und Opel.