Kippen aus Kostengründen Kippen aus Kostengründen: Wichtiges ESP bei Lkw ist kaum gefragt

München/Dietzenbach-Steinberg/dpa. - Im Pkw setzen sich zunehmend Elektronische Stabilitäts-Programme (ESP) durch. Inzwischen sind sie laut dem Verkehrstechnischen Institut der Deutschen Versicherer in München bei jedem zweiten deutschen Neu-Pkw Standard. Bei schweren Lastwagen macht ESP nach Ansicht der Experten ebenso viel Sinn - bislang ist ESP im Lkw aber eine Rarität geblieben.
Das Verkehrstechnische Institut hat jetzt 850 Lkw-Unfälle mit schweren Personenschaden genauer analysiert, um herauszufinden, in welchem Fall ein ESP Schlimmeres verhindert hätte: Wären Lkw durchweg mit dem elektronischen Helfer ausgerüstet, würde das in Deutschland jährlich 100 Verkehrstote und 500 Schwerverletzte weniger bedeuten.
Gerade bei Lkw kann ein ESP nach Meinung der Forscher in verschiedensten Situationen rettend sein. Das gilt vor allem dann, wenn Fahrer auf feuchter, rutschiger Fahrbahn zu schnell in die Kurve fahren oder Notbremsungen und Ausweichmanöver versuchen. Allerdings ist ESP im Lastkraftwagen grundsätzlich eine aufwendigere Sache als im Pkw. «Das ist ein fundamentaler Unterschied», sagt Eva Seifert, Sprecherin des Zulieferers Knorr-Bremse in München. «Ein ESP im Lkw muss deutlich ausgefeilter sein.»
Tatsächlich haben die Entwickler die technischen Probleme längst überwunden: Bei großen Herstellern wie MAN, DaimlerChrysler oder Volvo findet sich das ESP im Programm - allerdings als Extra gegen Aufpreis. Das hat dazu beigetragen, dass es in neuen Lastkraftwagen immer noch die große Ausnahme ist. So hat Volvo Trucks Deutschland in Dietzenbach-Steinberg (Hessen) zu Beginn des Jahres 2002 erste Modelle auf den Markt gebracht, die auf Wunsch mit ESP ausgestattet werden. «Insgesamt wurden von den Fahrzeugen bisher rund 5500 Stück verkauft - 43 davon mit ESP», sagt Sprecher Frank Hausmann.
Roger Schwarz vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) in Frankfurt begrüßt grundsätzlich den Einsatz elektronischer Fahrassistenzsysteme, fordert aber auch deren serienmäßigen Einsatz in den Fahrzeugen - die größeren Stückzahlen würden auch die Preise senken.
Während die Zugmaschinen größtenteils noch ohne ESP unterwegs sind, tut sich am hinteren Ende der Lastzüge einiges. So verbaut der Hersteller Schmitz-Cargobull in Horstmar (Nordrhein-Westfalen) in seinen Aufliegern - jenen Hängern, deren vorderer Teil sich auf die Zugmaschine aufstützt - serienmäßig das Roll-Stability-Program (RSP). «Diese Technik im Auflieger arbeitet unabhängig von der Zugmaschine. Es ist also egal, wie diese ausgestattet ist», erklärt Produktmanager Christoph Bleker. Einzige Voraussetzung ist, dass der Auflieger über das bei modernen Modellen ohnehin übliche Elektronische Brems-System (EBS) verfügt.
Herzstück des RSP ist laut Bleker ein Sensor, der die Querbeschleunigung des Aufliegers misst und so erkennen kann, wann Kippgefahr besteht. Ist dies der Fall, führt das System zuerst eine kurze Testbremsung durch, die der Fahrer gar nicht bemerkt. Wird es wirklich riskant, setzt das RSP zu einer kräftigen Bremsung an, um das Tempo zu verringern und das Umkippen zu verhindern. Nach den Aufliegern soll ein vergleichbares System bald auch für normale Anhänger mit Deichsel angeboten werden. «Wir hoffen, dieses System noch in diesem Jahr einführen zu können», so Bleker.
Einen komplett ESP-unterstützten Lastzug wird es laut Bleker jedoch kaum geben. Grund dafür ist in erster Linie, dass Zugmaschinen dauernd mit anderen Anhängern oder Aufliegern unterwegs sind. Das ESP des Zugfahrzeugs müsste die Daten aller Anhänger kennen, mit denen es jemals auf Reisen geht. Als optimaler Schutz gilt laut Eva Seifert daher, wenn das Zugfahrzeug über ESP und der Hänger über RSP verfügt.