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Fahrzeugtechnik Fahrzeugtechnik: Heckantrieb hält Einzug in Kleinwagen

15.06.2004, 12:13
Der neue BMW fährt ab Herbst mit Hinterradantrieb, welcher seine sportlichen Charakteristiken unterstreichen soll.Foto: dpa (Foto: dpa)
Der neue BMW fährt ab Herbst mit Hinterradantrieb, welcher seine sportlichen Charakteristiken unterstreichen soll.Foto: dpa (Foto: dpa) BMW

München/Klettwitz/dpa - Kompakte Autos haben Frontantrieb:In der vom VW Golf beherrschten Fahrzeugklasse hatten angetriebene Hinterräder bislang nichts zu suchen. Doch das wird jetzt anders. Wenn BMW mit dem neuen 1er antritt, soll neben der ungewöhnlichen Form auch der Heckantrieb für die gewünschte Abgrenzung zur Konkurrenz sorgen. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Antriebssystemen heute längst nicht mehr so groß wie einst."Grundsätzlich ist es dem Kunden heute schnuppe, ob ein AutoFront- oder Heckantrieb hat", meint Automobilforscher Prof. Ferdinand Dudenhöffer vom Prognoseinstitut B&D Forecast in Leverkusen. Eine Meinung, der sich auch BMW-Sprecher Wieland Bruch in München grundsätzlich anschließt: "In der Tat ist es dem Kunden nicht wichtig, ob der Wagen Front- oder Heckantrieb hat." Stattdessen komme es auf Werte wie ein sportliches und agiles Fahrverhalten an - und vor allem das will BMW mit dem Antriebskonzept erreichen. Hinzu kommt eben noch der Wunsch der Unterscheidung. "Der Heckantrieb ist für BMW typisch und soll unsere Nische in der Kompaktklasse sein."Prinzipiell bestehen zwischen den Antrieben diverse Unterschiede."Ein Vorteil des Frontantriebs ist seine kompaktere Bauweise, was gerade in kleinen Fahrzeugen wichtig ist", erklärt ADAC-Techniker Helmut Klein in München. So ist es beim Frontantrieb einfacher, den Motor vorne quer unter der Motorhaube zu verstauen, was mehr Raum fürdie Passagiere zulässt als ein längs eingebauter Motor.Für den Heckantrieb werden zusätzliche Bauteile benötigt, diePlatz beanspruchen. So überträgt eine Kardanwelle die Kraft zum Heck. Sie ist verantwortlich für die Teilung des Innenraumbodens durch den Mitteltunnel - diesen Platz benötigt der Frontantrieb nicht. Hinzu kommt, dass im Heck ein Differenzial untergebracht ist, um die Kraft seitlich über Antriebswellen zu den Hinterrädern zu führen. Der Aufwand macht den Heckantrieb laut Klein grundsätzlich auch teurer.Doch Unterschiede machen sich nicht nur bei der Konstruktionbemerkbar. "Ein Auto mit Heckantrieb fährt sich anders als eines mit Frontantrieb", sagt Experte Dudenhöffer. «Beim Heckantrieb kann man das beste Verhältnis zwischen Vorder- und Hinterachslast erreichen», so Norbert Müller, Sachverständiger der Dekra in Klettwitz (Brandenburg). Gemeint ist, dass Front und Heck einen möglichst gleich hohen Anteil am Gesamtgewicht des Wagens tragen. "Dies ist wichtig, um ein möglichst neutrales Fahrverhalten zu erreichen."BMW will hier sogar das Optimum geschafft haben. Laut Bruch wurde beim 1er ein Verhältnis von 50 zu 50 erreicht - also liegt jeweils die Hälfte des Gewichts auf Vorder- und Hinterachse. Erreicht wird damit den Angaben des Autobauers zufolge vor allem ein agiles Kurvenverhalten. Bei einem Fahrzeug mit Frontantrieb ist ein so ausgeglichenes Verhältnis nur schwer machbar. Denn das volle Gewicht von Motor und restlichem Antriebsstrang lastet auf dem vorderen Teildes Wagens.Ursprünglich galt außerdem, dass ein Auto mit Frontantrieb eher"untersteuernd" ist und eines mit Heckantrieb eher "übersteuert": Bei schneller Kurvenfahrt im Grenzbereich, drängt ein "untersteuerndes" Fahrzeug mit der Vorderachse zum äußeren Rand der Kurve, beim "Übersteuern" drängt das Heck nach außen. So pauschal gilt das aber heute nicht mehr. "Moderne Fahrzeuge werden so gezüchtet", dass sienicht mehr in klassischer Weise reagieren", sagt ADAC-Experte Klein. "Ein aktueller 3er BMW mit Heckantrieb verhält sich beispielsweise neutral bis leicht untersteuernd."Außerdem bietet die Elektronik den Technikern zusätzlicheMöglichkeiten, das Fahrverhalten anzupassen. "Viele Hersteller bieten heute Fahrstabilitätssysteme an", so Dekra-Sachverständiger Müller. "Sie führen dazu, dass sich frühere Aussagen zur Fahrstabilität heute nicht mehr aufrecht halten lassen." Denn so ein ESP sorgt dafür, dassetwaige Neigungen zum Über- oder Untersteuern im Ansatz unterbunden werden, der Wagen neutral und ungefährdet durch die Kurve fährt.Ein weiterer Unterschied lässt sich zwar mit technischer Hilfekaschieren, aber wohl kaum völlig unterbinden: Wenn die Vorderräder angetrieben sind, hat dies mehr oder minder starken Einfluss auf die Lenkung. "Der Heckantrieb ist frei davon!", so Klein. Die Vorderräder werden hier nur von der Lenkung beeinflusst, nicht vom Antrieb.Es gibt noch viele weitere Dinge, die Front- und Heckantriebunterscheiden - vom Verhalten auf glatter Straße bis zum Anfahren am Berg. Tatsächlich sind sie aber in Zeiten elektronischer Eingriffe wohl auch nach Ansicht von BMW kein entscheidender Kaufgrund mehr. "Wer mit rationalen Erwägungen an den Autokauf geht und nur ein Auto sucht, um von A nach B zu kommen, wird sich vermutlich nicht für den 1er entscheiden", so Bruch. Daher will man mit dem 1er nicht nur das Prinzip Heckantrieb hochhalten. "Dem Käufer muss schon an sportlichen Eigenschaften und Emotionen gelegen sein."Ferdinand Dudenhöffer hat noch eine weitere Erklärung für denHeckantrieb im 1er parat: Weil außer dem Mini die komplette übrige BMW-Palette mit Heckantrieb fährt, finde sich manches nötige Bauteil bereits im Regal und müsse nicht erst konstruiert werden.