Autotest Der 718 Spyder RS ist der perfekte Porsche für Puristen
Mit dem 718 Spyder RS kommt Porsche dem Ideal vom Roadster näher als bei jedem anderen Auto. Er will nichts mehr als maximalen Fahrspaß bieten.

Berlin - Porsche krönt die 718-Familie mit einem neuen Topmodell und verlängert der Open-Air-Gemeinde den Sommer jetzt mit dem Spyder RS. Der hat seinen Preis: Ab 155 575 Euro ist der RS zu haben - und damit mehr als doppelt so teuer wie der Basis-Boxster und selbst noch 50 000 Euro über dem 718 Spyder positioniert.
Dafür haben die Schwaben den offenen Zweisitzer auf Diät gesetzt und ihn zugleich zum Krafttraining geschickt. 40 Kilo leichter als der bisherige Spyder, dafür aber 59 kW/80 PS stärker, verspricht er mehr Elan und vor allem mehr Emotionen als jedes andere Modell der Baureihe - löst er das Versprechen ein?
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen
Wer den brachialsten aller Boxster gebührend genießen will, der muss vorher allerdings eine wüste Fummelei absolvieren. Denn wo sonst eine Handvoll E-Motoren das Verdeck in ein paar Sekunden nach hinten falten, sind hier Aussteigen und Handarbeit von der härteren Sorte angesagt.
Um Gewicht zu sparen und die Atmung des Motors durch große Lufteinlässe im Nacken der Passagiere zu fördern, hat das Team um GT-Papst Andreas Preuninger ein federleichtes Notverdeck entwickelt.
Das wird in einer mühsamen, minutenlangen Prozedur manuell geöffnet, gefaltet und danach am besten gleich in der Garage verstaut. Denn erstens wiegt der radikale Spyder dann noch einmal acht Kilo weniger. Und zweitens schützt das die Fingernägel, die spätestens beim Verpacken der Verdeckrolle sonst gerne mal zu Bruch gehen. Schlechtem Wetter kann man ja mühelos davonfahren.
Dirigent mit dem rechten Fuß
Lohn der Mühe ist ein Erlebnis, so pur und intensiv, wie es selbst bei Porsche mittlerweile selten geworden ist: Während die Fliehkraft die Insassen herumwirft wie eine Flipperkugel kurz vor dem Freispiel und der Fahrtwind auch die stabilste Föhnwelle ruiniert, schnorchelt, süffelt und schlürft hinter einem ein Orchester mit sechs Zylindern.
Das lässt sich allein mit dem rechten Fuß dirigieren. Mal in leiser Vorfreude und mal brüllend laut, mal im gemächlichen Tremolo und mal am Limit von 9000 Touren, spielt das vier Liter große Triebwerk die Musik zu einem Roadmovie, bei dem selbst Autofilm-Klassiker wie „Le Mans“ oder „Bullitt“ nach Zeitlupe aussehen.
Nicht umsonst leistet der aus dem Rundstrecken-Rennwagen 911 GT3 entlehnte Boxermotor ganz ohne Turbo 368 kW/500 PS und geht mit bis zu 450 Nm zur Sache. Das sind noch einmal 59 kW/80 PS und 20 Nm mehr als im normalen Spyder - das reicht für den Sprint von 0 auf Tempo 100 in 3,4 Sekunden. Bestenfalls sind so 308 km/h möglich - schneller ist bislang noch kein anderer Boxster gewesen.
König der Kurven
Aber es ist gar nicht so sehr das hohe Tempo auf einer langen Geraden, das den Reiz des Roadsters ausmacht. Dieser Leistungssportler ist für die Landstraße gemacht - je einsamer die ist, desto besser. Schließlich braucht es schon eine gefestigte Moral und eine eiserne Zurückhaltung, um mit diesem Auto nicht ständig über dem Limit zu fahren.
Bretthart und knochentrocken liegt der Boxster auf der Straße und lässt einen selbst die Fahrbahnmarkierungen fühlen, hält dafür aber im Gegenzug so eisern den Kurs, als wäre das spärliche Restprofil der Semislicks aus Klebstoff. Doch während die Physik dem Spyder RS kaum Grenzen setzt und er fast intuitiv der messerscharfen Lenkung folgt, helfen gegen die Polizei weder Sportfahrwerk noch Spoiler.
Komfort wird dabei nebensächlich - erst recht, wenn man das Erlebnis mit dem Weissach-Package für noch mal ganz und gar unbescheidene 12 000 Euro weiter steigert. Weil das mit Titanauspuff, Race-Tex (Mikrofaser) statt Leder und der Option auf Magnesium-Räder noch einmal ein paar Kilo bringt. Und weil es dafür dann unter anderem Carbon-Schalensitze gibt, die eng sind wie ein Schraubstock und hart wie ein Sitz in der Economy-Klasse.
Doch keine Sorge - so ganz kompromisslos ist selbst der puristischste Porsche nicht: Klimaanlage, Navigation und Soundsystem sind selbstredend an Bord. Wobei letzteres bei diesem Motor durchaus verzichtbar wäre.
Fazit: Das Beste zum Schluss
Natürlich ist der 718 Spyder RS ein teures Vergnügen - und wie alle besonderen Porsche ohnehin schon wieder fast ausverkauft. Und das Verdeck ist und bleibt eine fingernagelmordende Frechheit.
Doch beweisen die Schwaben mit dem Sportwagen, dass sie bei aller Entschlossenheit zum Wandel ihre Wurzeln nicht vergessen haben und für ultimativen Fahrspaß keine Kompromisse machen - selbst wenn dabei der Komfort auf der Strecke bleibt.
Rasend schnell, radikal und rasiermesserscharf - kurz bevor der 718 zum ersten elektrischen Sportwagen aus Stuttgart wird, gibt der Spyder RS so noch einmal den perfekten Porsche für Puristen.
Datenblatt: Porsche 718 Boxster Spyder RS
Maße und Gewichte | |
Länge: | 4418 mm |
Breite: | 1822 mm |
Höhe: | 1252 mm |
Radstand: | 2482 mm |
Leergewicht: | 1410 kg |
Zuladung: | 345 kg |
Kofferraumvolumen: | 125 + 120 Liter |
Fahrdaten: | |
Höchstgeschwindigkeit: | 308 km/h |
Beschleunigung 0-100 km/h: | 3,4 s |
Durchschnittsverbrauch: | 13,0 Liter/100 km |
Reichweite: | 420 km |
CO2-Emission: | 294 g/km |
Kraftstoff: | Super |
Schadstoffklasse: | EU6 |
Energieeffizienzklasse: | k.A. |
Kosten: | |
Basispreis des Porsche 718 Boxster: | 65 968 Euro |
Grundpreis des Porsche 718 Boxster Spyder RS: | 155 575 Euro |
Typklassen: | k.A. |
Kfz-Steuer: | 478 Euro/Jahr |
Wichtige Serienausstattung: | |
Sicherheit: | Vier Airbags, LED-Scheinwerfer, Tempomat |
Komfort: | Zentralverriegelung, Klimaautomatik, Navigation |