1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Auto
  6. >
  7. Chamonix 550: Liebeserklärung an eine Legende

Chamonix 550: Liebeserklärung an eine Legende

12.08.2009, 07:11

Hamburg/dpa. - Kaum ein Auto von Porsche hat so einen Ruf wie der 550 Spyder. Keine 100 Mal wurde der legendäre Sportwagen zwischen 1954 und 1957 gebaut. Dass James Dean 1955 in einem solchen Gefährt ums Leben kam, nährte den Ruhm nur weiter.

Nachbau als bezahlbare Alternative

Die wenigen verbliebenen Originale des alten Porsche werden mittlerweile für Millionen gehandelt. Und selbst wer sich das leisten kann, kommt kaum zum Zuge. «Denn zu kaufen gibt es diese Autos eigentlich nie», sagt Michael Gehrke von Classic Cars und lenkt den Blick auf eine gleichermaßen bezahlbare wie verfügbare Alternative: den Chamonix 550. Dabei handelt es sich um einen Nachbau der Sportwagen-Legende.

Ein bisschen VW, ein bisschen Porsche

Der brasilianische Autohersteller Chamonix baut den Wagen seit den 80er Jahren im Geist von Gestern. Gehrke importiert ihn als Gebrauchtfahrzeug in Einzelteilen nach Deutschland, montiert ihn in Sichtweite des Hockenheimrings und macht ihn buchstäblich flott. Unter die auf einem Gitterrohrrahmen montierte Kunststoff-Karosserie baut er die Achsen, Getriebe und Motoren aus dem Teilelager von VW und Porsche: Vorne ein wenig 924, hinten Käfer und in Mittellage ein Vierzylinder-Boxer, wie es ihn zum Beispiel im Käfer oder im 914 gab.

Die Motoren reichen von mild bis wild

Die Motoren kommen aus Deutschland, wurden komplett restauriert und glänzen in Gehrkes Werkstatt wie am ersten Tag. Genau wie im Original montiert Chamonix den Boxer zwischen Sitzen und Hinterachse und sorgt so für eine perfekte Balance. Nur die Leistungsspanne ist größer: Gab es den Porsche nur mit 81 kW/110 PS und später als RS mit 99 kW/135 PS, deckt Gehrke die gesamte Bandbreite von «mild bis wild» ab. Das Basismodell für 29 000 Euro hat 51 kW/70 PS. In der Performance-Variante für 39 000 Euro leistet der auf 1,9 Liter aufgebohrte Vierzylinder mit dem schönen Boxerbollern etwa 81 kW/110 PS. «In Brasilien gibt es sogar Rennversionen mit über 300 PS», sagt Gehrke. Wer den Wagen für 18 000 Euro als Bausatz kauft, hat völlig freie Wahl: Um Achsen, Motor und Getriebe muss man sich selbst kümmern.

Technik stammt aus den 50er Jahren

Zwar steht auf dem Typenschild als Baujahr 1986, doch technisch ist der Wagen in den 50er Jahren stehengeblieben: Blinker, Scheinwerfer und Hupe sind die einzigen elektrischen Verbraucher, für die es im schnörkellos schlichten Cockpit einen Schalter gibt. Heizung, Klimaanlage, Radio - alles schlecht fürs Gewicht und damit für die Dynamik. Schließlich wiegt der 3,71 Meter kurze Spyder mit 580 Kilo kaum die Hälfte eines VW Golf. Das Original war nur 30 Kilo leichter.

Rasender Rentner schafft fast 200

Entsprechend flott ist der kleine Flitzer unterwegs: Kaum senkt sich der Fuß aufs Gaspedal, schnellt die Flunder so vehement nach vorn, dass man fest ins hölzerne Lenkrad greifen muss. Während die Gänge überraschend schnell und leicht durchs Getriebe flutschen und sich die Haare im anschwellenden Fahrtwind immer weiter aufstellen, steht die Nadel im schmucken Retro-Tacho schon nach 6,5 Sekunden bei 100 km/h. Und das Spurtvermögen lässt ahnen: Die 200er-Marke ist kein Scherz. Nicht umsonst gibt Gehrke eine Höchstgeschwindigkeit von 198 km/h an.

Die Angst rast mit

Spätestens dann kommt einem allerdings wieder James Dean in den Sinn - und zwar nicht nur, weil man sich im Blickpunkt der Neugierde selber fühlt wie ein Hollywood-Star. Sondern auch, weil sich seit seinem Unfall 1955 nichts an der Ausstattung des Spyder geändert hat: ABS, Airbags oder ESP sucht man vergebens - mehr als einen Ledergurt über den schmucken Sitzschalen gibt es nicht, an dem im Zweifelsfall das Leben hängt. «Über eines sollte man sich immer im Klaren sein», mahnt Importeur Gehrke: «Der Porsche wurde für Rennen gebaut, ebenso wie seine Nachfahren oder entfernten Verwandten.» Neumodische Extras seien in einer puristischen Fahrmaschine wie dieser überflüssig. Fahreigenschaften wie jene, die Hans Herrmann oder Graf Berghe von Trips auf den Rennstrecken der 50er zu schätzen lernten, «sollten nicht durch modernen Schnickschnack verfälscht werden.» Wofür schließlich gibt es Zweitwagen?

Fazit: Nicht echt, aber gut

Wie bei fast allen Replikas ist das Verhältnis zwischen den Herstellern von Original und Kopie auch bei Chamonix und Porsche eher gespannt. «In Stuttgart versteht man da keinen Spaß», sagt Gehrke. Er geht möglichem Ärger aus dem Weg, indem er den Roadster ohne Typenschild und Markenzeichen verkauft. Den Kunden dagegen stößt der etwas freizügige Umgang mit der Geschichte kaum auf. Im Gegenteil, sagt Gehrke und berichtet von Sammlern, die das Original in ihrer klimatisierten Ausstellung parken und draußen lieber mit der Replika herum fahren: «Für die Abenteuer des Alltags ist ihnen der echte 550 zu schade.» Und dem Spaß tut die schräge Biographie der Nachbau-Autos keinen Abbruch.