BMW BMW: Sechs Zylinder auf zwei Rädern
Halle (Saale)/MZ. - Was für ein Brocken! Sechs Zylinder brauchen Platz und treiben das Gewicht der BMW K 1600 GT hoch. Das erste Rangieren auf dem Parkplatz endet mit Respekt und auch mit Sorge: Werden sechseinhalb Zentner Lebendgewicht wirklich Freude machen? Nach drei Tagen und 1 826 Kilometern wird fest stehen, was 160 PS mit dem Schwergewicht anstellen können.
Es ist die erste Sechs-Zylinder-Maschine von BMW und es soll die weltweit modernste unter den wenigen Big Blocks auf zwei Rädern sein, von denen die Honda Goldwing wohl die Bekannteste ist. Die Aufgabe der BMW ist klar: Im Expresstempo lange Strecken mit höchstem Komfort abspulen.
Kilometer 0. Der Start zur Testfahrt hin zur die Deutsche Alpenstraße (von Lindau nach Berchtesgaden) fällt artgerecht aus: Sechszylinder-Schussfahrt nach Süden, 600 Kilometer Autobahn am Stück von Halle bis hinunter in den südlichen Schwarzwald. Die sechs Zylinder liegen in Reihe quer zur Fahrtrichtung, 52 Grad geneigt. Schade, man sieht den Motor fast nicht, so stark ist er verkleidet. Eine große, silberne Sechs links und rechts am Motorblock signalisiert wenigstens Größe.
Kilometer 192. Eisenach, die Grenze, die keine mehr ist. Ein kurzer Gedanke daran an diesem 13. August. Ich habe mich eingerichtet im Cockpit der GT. Der breite Lenker liegt gut in den Händen, entspannend aufrecht die Sitzposition, breit bequem der Sitz, so muss das sein beim Tourer. Für das riesige Windschild habe ich nun die optimale Postion gefunden. Es lässt sich elektrisch stufenlos verstellen, Verwirbelung bei 140 gleich Null und auch darüber sehr gering.
Kilometer 300. Die Theorie sagt, ich komme noch über 80 Kilometer weit. Die Praxis macht unruhig: lieber mal tanken. 24 Liter schluckt das Spritfass. Nach Tempofahrt zwischen 150 und 180 km / h ist es ziemlich leer. Die Bolzerei kostet: Schnitt 7,3 Liter pro 100 Kilometer.
Kilometer 395. Nach knapp dreieinhalb Stunden taucht links der A9 die Frankfurter Skyline auf. Die Schilder mit den Tempolimits sind heute schwarz, die vier Spuren fast leer - auf geht es: In wenigen Sekunden steht die Nadel auf 225 km / h. Die Fuhre läuft mit stoischer Ruhe, nichts pendelt, obwohl die beiden Seitenkoffer voll und die Gepäckrolle schwer ist. Fast 250 sind möglich, dann wird abgeriegelt. Ich verzichte, gleichwohl ich mich gut geschützt durch die opulente Bike-Verkleidung dorthinauf bewegen könnte - aufrecht sitzend.
Kilometer 655. Landung in Freiburg im Breisgau, der Feldberg ruft. Oben auf dem Feldbergpass (1 233 Meter) wird es kalt. Sitzheizung an, Heizgriffe auch. Dazu muss ich mich - leider - durch ein Menü auf einem großen Display scrollen. Immerhin, das geht sehr gut, auch halbwegs schnell. Zentrale Steuereinheit ist ein großer Drehknopf links am Griff, damit rufe ich alle Reisedaten im Bordcomputer ab, auch den Reifendruck. Und wie hell das Display auch bei Sonne ist, die plötzlich scheint hinab nach Titisee, gut gemacht!
Kilometer 755. Ich husche über ein unscheinbares Flüsschen. Die Donau? Sie ist es, entspringt ganz in der Nähe. Die fiese, kräftige Bodenwelle vor der Brücke nimmt die Maschine gelassen. Ich habe die elektronische Federungsdämpfung (ESA) auf "comfort" gestellt, es gibt auch "normal". "Sport" wäre mir auf dieser Welle nicht so gut bekommen, das ist die harte Nummer für schnelle Kurven.
Kilometer 768. "Hegaublick", ein bekannter Biker-Treff. Ganz in der Ferne sieht man zum ersten Mal den Bodensee. Die K 1600 GT wird schnell umringt. Der Sechszylinder? Ja. Technikfreaks bekommen einen Kurzvortrag zur 1,6 Liter-Maschine. Einspritzung, klar und ABS auch, sechs Gänge und ganz neu: erstmals Kurvenlicht möglich! Preis? 19 900 Euro ohne Extras, Navi und Radio plus 1 850 Euro. Da schluckt der Biker und fragt weiter: Reichen die 160 PS für das Gewicht? Sie reichen, Jungs, ganz sicher! Durchzug ohne Ende! Beim Rollen aus der Parklücke bin ich froh, dass zwei mich rausschieben - Mini-Gefälle, allein keine Chance.
Kilometer 864. Bei Lindau taucht zum ersten Mal am Straßenrand das Schild auf: Deutsche Alpenstraße, Deutschlands wohl schönste Biker-Straße, Bilderbuchlandschaft. 450 Kilometer später endet sie im Berchtesgadener Land. Ich bummle von Kurve zu Kurve, und wenn der Hafer sticht, lässt sich der schwere Bummler blitzartig zum Sprinter machen und produziert dabei einen markanten Sound, faucht, röhrt, singt - toll.
Kilometer 920. Der Oberjochpass (1 178 Meter) bietet Kurven aller Art. Wunderbar zieht der Koloss hoch, mag besonders Kurven mit weiten Radien. Haarnadelkurven dämpfen die Freude. Enge Kurven, niedriges Tempo - das ist nichts für das Schwergewicht, das bedeutet bergan im steilen Kurvenscheitel viel Anspannung für den Fahrer.
Kilometer 1097. Die drei Euro ist die Mautstraße ab Wallgau (bei Garmisch) wert! 18 Minuten dauert die Durchfahrt, so steht es am Maut-Häuschen und bietet einen der spektakulärsten Abschnitte der Alpenstraße. Breit und ausgewaschen der Fluss rechts der Straße, Bäume liegen drin, riesige Felsen, Sandbänke und nirgendwo ein Stück Zivilisation zu sehen: Bin ich in Alaska? Nein, das ist die Isar, unglaublich. Bummelfahrt durchs Paradies spart: Erstmals liegt der Verbrauch unter sechs Liter, 5,8 sind ablesbar und dabei bleibt es vorerst, sehr schön für so viel Kraft.
Kilometer 1 298. Sudelfeld, Wintersportgebiet der Münchner, gähnend leer im Sommer. Schön zu fahren die langen Anstiege und übersichtlichen Kurven. Gänge muss ich nie ausfahren. Mit sechs Zylindern und 160 PS kann ich die Sache ruhig angehen lassen, 175 Nm Drehmoment ziehen mich aus jedem Drehzahlkeller, auch am Berg. Auf der Geraden packt der sechste Gang schon bei 80 km / h zu. Wer Rasanz sucht, kann den Motor mühelos hochdrehen bis auf 8 075 Umdrehungen.
Kilometer 1 184. Entspannte Runde durchs Berchtesgadener Land. Es schüttet wie aus Eimern. Aber der Wetterschutz ist ausgezeichnet, breit die Verkleidung. Bei schneller Fahrt bleiben die Beine trocken. Sehr sensibel reagiert das ABS und hält die Spur. Letzte Herausforderung: Sechs Zentner auf glatter Straße von der Rossfeld-Höhenstraße am Obersalzberg durch enge, steile Kurven heil ins Tal zu bringen, Spaß macht das nicht.