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Auto Auto: Auf leisen Reifen in die Stadt

Von Thomas Geiger 24.04.2007, 09:33
Kleinstfahrzeug aus Frankreich - das BluEcar von Bolloré speichert die Energie in Lithium-Metall-Hybrid-Batterien, die für 250 Kilometer reichen sollen. (Foto: dpa)
Kleinstfahrzeug aus Frankreich - das BluEcar von Bolloré speichert die Energie in Lithium-Metall-Hybrid-Batterien, die für 250 Kilometer reichen sollen. (Foto: dpa) Thomas Geiger

Potsdam/Frankfurt/Main/dpa. - So weist die europäische Zulassungsstatistik laut Henner Lehne vomPrognose-Spezialisten CSM in Bad Homburg (Hessen) für die vergangenenacht Jahre durchschnittlich nur 430 Elektroautos aus. «Das sind abervor allem Umbauten auf Basis von Peugeot 106, Fiat Panda oder FordKa. Kleinstfahrzeuge mit Elektroantrieb tauchen bis auf wenigeAusnahmen in der Statistik gar nicht auf», sagt der Analyst.

Dafür sieht man solche Fahrzeugkonzepte immer häufiger aufAutomessen wie zuletzt im März auf dem Genfer Autosalon. Dort hat dasUnternehmen Visiongreen aus Potsdam in einer Partnerschaft mit demSchweizer Unternehmen Reva den Greeny AC1 vorgestellt. Zu Preisen abetwa 13 000 Euro soll der Wagen von Sommer an auch in Deutschlandangeboten werden. Er basiert auf dem Reva «ElectriCity Car», das derHersteller als weltweit meistverkauftes Elektroauto bezeichnet.Besonders für den Stadtverkehr konzipiert, soll es emissionsfrei undleise durch Häuserschluchten stromern und so Sommersmog undFeinstaubalarm trotzen.

Damit der Spaß nicht zu kurz kommt, bekommt der Viersitzer einknuffiges Design und auf Wunsch auch spezielle Lackfolien im Zebra-,Tiger- oder Leoparden-Look. Angetrieben wird der Greeny demHersteller zufolge von einem 13 kW/18 PS starken Elektromotor, deraus einer Bleibatterie mit Kapazität für 50 bis 80 Kilometer gespeistwird. Der 2,64 Meter kurze 2+2-Sitzer wiegt nur 680 Kilogramm undkommt deshalb auch mit 54 Newtonmeter Drehmoment flott voran. VonNull auf 50 km/h beschleunigt er in etwa elf Sekunden. DieHöchstgeschwindigkeit gibt der Hersteller mit 80 Stundenkilometer(km/h) an. Dabei verbraucht der Greeny auf 100 Kilometer umgerechnetnur so viel Energie, wie in einem Liter Benzin steckt.

Nach einem ähnlichen Muster konzipiert ist das «BluEcar» desfranzösischen Herstellers Bolloré, der auf Kleinstfahrzeuge für dieFührerscheinklasse S spezialisiert ist. Sein Elektroauto ist 3,20Meter lang, wiegt 1100 Kilogramm und bietet in der ersten Reihe dreiund in der zweiten Reihe zwei Sitzplätze. Er speichert die Energie inLithium-Metall-Hybrid-Batterien, die laut Bolloré in vier Stundengeladen werden und für 250 Kilometer reichen. Die Leistung des Motorsgibt der Hersteller mit 50 kW/68 PS an, das maximale Drehmoment liegebei 170 Newtonmeter. Damit schafft der Wagen mit den auffälligkreisrunden Türen eine Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h.

Zwar könnten solche Fahrzeuge, zu denen auch der einst imFord-Konzern entwickelte und nun in Norwegen wieder belebte Think!zählt, die Umweltbelastung in den Innenstädten entspannen, soExperten. «Doch wie man an der geringen Verbreitung derKleinstfahrzeuge auch mit konventionellen Antrieben sehen kann, sindMinimal-Konzepte noch nicht im Bewusstsein der Kunden angelangt»,sagt Christoph Stürmer vom Marktbeobachter Global Insight inFrankfurt. «Der Smart zeigt wohl das absolute Minimum an"Auto-Ähnlichkeit", das ein Fahrzeug heutzutage haben muss.»

Während allerdings CSM-Experte Lehne mit Verweis auf Nachteile wiedie geringe Reichweite, die fehlende Infrastruktur zum Laden derBatterien, die teure Wartung und die problematische Entsorgung auchin naher Zukunft keine Renaissance der elektrischen Autos sieht undallenfalls mit ein paar Erfolgen in der Nische rechnet, kann sichStürmer durchaus eine Öffnung des Marktes vorstellen: «Wenn man dieFahrzeuge an jeder Steckdose aufladen kann, mit flotten 70 Sachenunterwegs ist und eine Reichweite von 100 Kilometern hat, könntenElektrovarianten bekannter Kleinwagen wie dem Smart, dem Toyota Aygooder dem Fiat Panda durchaus funktionieren», glaubt der Analyst.«Doch ohne eine bekannte Marke und ein vernünftiges Händler- undServicekonzept sind die Aussichten eher mau.»

Außerdem funktioniere das Konzept nicht von alleine, sondernbrauche in seinen Augen einen massiven Nachfrager wie einCarsharing-Unternehmen oder eine Autovermietung. «Das hatSmart-Erfinder Nikolas Hayek zu den Frühzeiten seines City-Coupésalles schon einmal durchdekliniert», sagt der Analyst. «Abervielleicht war er seiner Zeit einfach nur voraus.»

Auch öffentlicher Druck kann offensichtlich helfen: Seit es inLondon die City-Maut gibt und Elektrofahrzeuge davon befreit sind,registriert nicht nur Greeny ein großes Interesse an dem knuffigenStromer. Plötzlich sei das Fahrzeug bei Bankern und Brokern alsZweit- oder Drittwagen akzeptiert und aus Szenevierteln wie NottingHill «nicht mehr wegzudenken», so der Hersteller.

Unter diesen Umständen lohnt sich Umdenken auch für Unternehmenwie Smart. Dort wurde - allerdings noch auf Basis der erstenGeneration - eigens für die britische Hauptstadt eine Flotte vonElektro-Zweisitzern aufgelegt. Dass diese Autos deutlich teurer sindals ein Smart mit Verbrennungsmotor, stört die Kunden nach Angabenvon Smart-Sprecher Hubert Kogel in Stuttgart nicht: «Denn was siemehr an Leasing zahlen, sparen sie bei der Maut gleich wieder ein.»