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Auffallen um jeden Preis Auffallen um jeden Preis: Extremtrends beim Tuning von US-Fahrzeugen

Von Thomas Geiger 30.11.2005, 12:31
Vor allem was fürs Auge: Tuning wie dieser Heckflügel an einem Mazda 3 hat bei Fahrzeugen in den USA nur selten etwas mit Leistungssteigerungen zu tun. (Foto: dpa)
Vor allem was fürs Auge: Tuning wie dieser Heckflügel an einem Mazda 3 hat bei Fahrzeugen in den USA nur selten etwas mit Leistungssteigerungen zu tun. (Foto: dpa) Thomas Geiger

New York/Las Vegas/dpa. - Nach dem Motto «erlaubt ist, was gefällt» werden so beim«customizing» aus biederen Mittelklasse-Autos funkelnde Showstars,luxuriöse Limousinen zu eigenwilligen Cabrios, Geländewagen auf dasFormat eines Busses gestreckt und selbst betagte Gebrauchtwagenhäufig für ein Vielfaches ihres Restwertes aufgemotzt.

«Amerikaner tunen anders – ganz anders», sagt Ben Arnold von derin Hamburg erscheinenden Zeitschrift «Autobild Test & Tuning». Was inDeutschland zumindest im Entferntesten der Leistung diene, sei inÜbersee nur Show. «Oder welchen anderen Sinn haben im Radhausschleifende 28-Zöller oder tonnenschwere Metall-Heckflügel?», fragtder Experte und gibt die Antwort gleich mit: «Schließlich machenfeingetunte Motoren und penibel abgestimmte Gewindefahrwerke wenigSinn in einem Land, das Temposünder rigoros verfolgt und in dem dieStraßen nur eine Richtung kennen: geradeaus.»

Wie anders die Uhren bei den amerikanischen Kollegen von Brabus,Abt, Irmscher & Co. ticken, kann MTV sei Dank auch der europäischeFernsehzuschauer verfolgen. Denn in der zur Kultserie avanciertenReihe «Pimp My Ride» macht ein Tuning-Unternehmen aus Kalifornienregelmäßig vor, was aus einer alten Rostlaube alles werden kann. Einpaar Dosen Lack, viel Unterhaltungselektronik, riesige Räder undeinige beherzte Schnitte mit der Flex-Trennscheibe verwandeln Sendungfür Sendung ein Kfz-Aschenputtel in einen Blickfang auf Rädern.

Zwar will längst nicht jeder Kunde ein derartiges Gesamtkunstwerk.Doch der Trend zur Individualisierung ist in den USA offensichtlichsehr viel stärker ausgeprägt als in Europa, sagt Myles Kovacs,Herausgeber der amerikanischen Tuning-Zeitschrift «Dub-Magazin» inNew York. «Besonders wichtig sind diesen Kunden die Räder, die garnicht groß und auffällig genug sein können.» Deshalb führen vieleNeuwagenkäufer direkt vom Autohaus zum Tuner und ließen sich dortmindestens 20 oder 21 Zoll große Felgen auf die Achsen stecken.

Auf den Hochglanzanzeigen in seinem Magazin finden sich deshalbHunderte von Felgen mit teilweise bizarrem Design, drehenden Sternen,Goldauflagen oder Edelsteindekoration und so wohlklingenden Namen wie«Dresden», «Cold Cash», «Matador» oder «Sparta», die vor allem in derRapperszene angeblich unverzichtbar sind.

«Doch ein Rundgang über die weltgrößte Tuning-Messe, die SEMA Showjeden November in Las Vegas, macht deutlich, dass sich dieamerikanischen Tuner nicht nur mit Modifikationen im Detail zufriedengeben», sagt der kanadische Fahrzeugveredler Drew Autio aus Edmonton.Damit die Autos beim nächtlichen Bummel auf dem Boulevard auchwirklich ins Auge stechen, machen sie auch vor tiefen Eingriffen indie Karosserie nicht halt.

Deshalb bieten so genannte Coachbuilder wie Genaddi oder NewportConvertible offene Varianten des 7er-BMW oder des Range Rover undsogar eine rund 200 0000 Dollar (170 000 Euro) teure Cabrio-Versionder Luxuslimousine Maybach an. «Ganz egal, ob Sie mehr Platz wollen,mehr Privatsphäre für den Fahrer oder den freien Blick zum Himmel –wir haben ein Team von Designern, das mit jedem Kunden sein ganzindividuelles Fahrzeug gestaltet, und ein Team von Technikern, dasdiesen Entwurf dann auch umsetzen kann», schreibt zum Beispiel daskalifornische Unternehmen Genaddi in seinem Unternehmensportrait.

Wer statt des offenen Daches Wert auf mehr Beinfreiheit legt, istbei den Coachbuildern ebenfalls gut aufgehoben. Schließlich machensie mit Trennscheibe und Schweißbrenner aus mittlerweile fast allenFahrzeugtypen riesige Stretchlimousinen, die nicht selten länger alszehn Meter sind und trotz Hausbar, Großbildleinwand undLedersitzgruppe Platz für acht bis zwölf Passagiere bieten.

Während Autohersteller in Europa auf solche Eingriffe häufigempfindlich reagieren, werden die Tuner in den USA oft sogar direktunterstützt. So bietet Ford nach eigenen Angaben Modelle wie denLincoln Towncar in besonders verstärkten und eigens für die Fahrtüber die Streckbank vorbereiteten Versionen an. Und bei Chrysler hatman es durchaus mit Freude registriert, dass der 300 C mittlerweileauch als Stretchlimousine gefragt ist. «Zwar bieten wir so eineVersion nicht selbst an», sagt eine Firmensprecherin. «Doch wennnachts in New York ein endlos langer 300 C über den Times Squarerollt, dann stärkt das natürlich auch das Image der Marke, selbstwenn das Auto nicht direkt von uns kommt.»