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Technische Schutzengel Assistenzsysteme: Neue Hilfen für weniger Unfälle

Assistenzsysteme helfen, das Autofahren sicherer zu machen. 2024 werden neue Assistenzsysteme Pflicht, die es bereits heute zu bestellen gibt. Was ist was und welche sind sinnvoll?

Von Fabian Hoberg, dpa 14.09.2023, 16:58
Elektronische Helferlein: Mittlerweile assistieren immer mehr Systeme dem Mensch am Steuer - bis hin zum streckenweise autonomen Fahren.
Elektronische Helferlein: Mittlerweile assistieren immer mehr Systeme dem Mensch am Steuer - bis hin zum streckenweise autonomen Fahren. Sven Hoppe/dpa/dpa-tmn

München/Stuttgart - Autos werden immer sicherer. Verschiedene Assistenzsysteme unterstützen Fahrerinnen und Fahrer dabei, weniger Unfälle zu verursachen. Das Antiblockiersystem ABS und der Schleuderschutz ESP etwa zählen schon seit fast einem Jahrzehnt zur Pflichtausstattung bei Autos.

Laut EU-Verordnung 2019/2144 kommen bald neue Assistenten hinzu: seit dem 6. Juli 2022 für ganz neu entwickelte (typisierte) Autos und ab 7. Juli 2024 für alle neu zugelassenen Pkw. Dazu zählen:

• Hochentwickelter automatischer Notbremsassistent zur besseren Notbremsung

• Notfall-Spurhalteassistent

• Intelligenter Geschwindigkeitsassistent (ISA)

• Müdigkeitswarner / Aufmerksamkeitsüberwachung

• Rückfahrassistent

• Abbiegeassistent und Kollisionswarner

• Ereignisbezogene Datenaufzeichnung bei Unfällen (Blackbox)

• Notbremslicht

• Erweiterter Kopfaufprallschutzbereich

Die neuen Assistenten sollen die Sicherheit in Autos und für andere Verkehrsteilnehmer weiter erhöhen und werden von Experten begrüßt. Etwa von Andreas Rigling, der das Testzentrum Mobilität und aktive Fahrzeugsicherheit beim ADAC leitet.

Systeme wie der ISA fordern allerdings eine Anpassung des Fahrers. „Wenn das Geschwindigkeitslimit bei 50 km/h liegt, dann warnt das Auto bei Geschwindigkeit über 50 km/h und nicht etwa erst bei 55 oder 60 km/h. Darauf müssen sich Autofahrer einstellen“, sagt Rigling.

Grundsätzlich hält er ESP für unverzichtbar. Aber auch Notbremsassistent und Spurhalteassistent sollten in Autos integriert sein, weswegen Autokäufer beim Gebrauchtkauf oder bei noch nicht so neuen Modellen auf solche Systeme achten sollten.

Beim Neuwagenkauf sollten Käufer Systeme im Zweifel mitbestellen, die erst ab Juli 2024 Pflicht werden. „Jeder Unfall ist einer zu viel. Sachschäden sind oft durch Versicherungen abgedeckt, doch schwere Verletzungen oder gar Todesfälle kann man mit Geld nicht aufwiegen“, sagt Andreas Rigling.

Sicherheit und Komfort im Fokus

Prof. Markus Lienkamp von der Technischen Universität München (TUM), unterscheidet zwischen Sicherheitssystemen und Komfortsystemen. Komfortsysteme sollen das Autofahren angenehmer gestalten. Dazu zählen Einparkhilfen, Licht- und Scheibenwischerassistenten. Auch der neue ISA gehört dazu. Zu den Sicherheitssystemen zählt Professor Lienkamp beispielsweise die Notbremsfunktion.

„Und dann gibt es Systeme, die beides kombinieren, wie Totwinkel- oder Spurhalteassistent. Die erhöhen den Komfort und gleichzeitig die Sicherheit. Daher sind alle wirkungsvollen Assistenzsysteme sinnvoll“, sagt Prof. Lienkamp.

Mercedes-Benz hat die Geschwindigkeitsanzeige ISA bereits 2009 eingeführt. „ISA erhöht die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer, weil der Autofahrer darauf aufmerksam gemacht wird, wenn er die vorgeschriebene Geschwindigkeit nicht einhält“, sagt Joachim Missel, Leiter Entwicklung autonomes Fahren und aktive Sicherheit bei Mercedes. Die Verantwortung liegt aber bei diesem Assistenzsystem nach Level 2 weiter beim Fahrer.

So helfen die Systeme Kollisionen zu vermeiden

Mehr als 40 aktive Sicherheitssysteme können in neuen Mercedes-Fahrzeugen integriert sein. „Vor allem der aktive Bremsassistent schützt schwächere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Radfahrer und Motorradfahrer“, sagt Joachim Missel.

Der aktive Bremsassistent - auch Notbremsassistent genannt - nutzt die im Fahrzeug installierten Sensoren, um zu registrieren, ob eine Kollisionsgefahr mit vorausfahrenden, kreuzenden oder entgegenkommenden Fahrzeugen besteht. Im Falle einer drohenden Kollision warnt das System optisch und akustisch.

In Kombination mit einer Kreuzungs- und Abbiegefunktion erkennt das System beispielsweise frühzeitig andere Verkehrsteilnehmer und bremst das Auto aktiv ein. „Bei Fußgängern am Straßenrand unterscheidet das System, ob der Fußgänger steht oder sich auf die Straße zubewegt. Bei letzterem warnt es den Fahrer zuerst, dann erfolgt - wenn erforderlich - die Notbremsung“, sagt Joachim Missel.

Der ADAC wünscht sich für die Zukunft eine Regelung beim Rückwärtsfahren. „Der Gesetzgeber fordert nur ein akustisches oder optisches Signal. Sinnvoller wäre direkt ein Bremseingriff, um Unfälle zu vermeiden“, sagt Andreas Rigling.

Assistenzsysteme können zwar Fehler machen und Autofahrer tragen immer die Verantwortung für das Führen des Fahrzeugs. „Aber Assistenzsysteme bringen hauptsächlich Vorteile, auch wenn sie mitunter Falsch-Warnungen oder Fehleingriffe vorkommen können, denn diese sind nach einer Eingewöhnungsphase gut kontrollierbar“, sagt Andreas Rigling.

Manche Unfälle dürften sich leider nicht vermeiden lassen

Künftig werden mehr und genauer arbeitende Assistenzsysteme Fahrfunktion als Komfortsystem auf der Autobahn bieten, meint Professor Lienkamp. Nachteil: hohe Kosten durch zusätzliche Hardware wie Kameras oder Radar. „Mit neuen Sicherheitssystemen lassen sich die Unfallzahlen senken“, sagt Professor Lienkamp. Allerdings gebe es immer noch Unfälle, hervorgerufen durch Alkohol, Raserei und Suizid, gegen die keine Assistenten helfen.

Mercedes-Benz will seine Assistenten weiter verbessern. Gemeinsam mit Chiphersteller Nvidia entwickelt der Hersteller Lösungen auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI), um vor allem im urbanen Raum mögliche Unfälle besser voraussagen zu können. Bei spielenden Kindern zwischen zwei Autos kann KI den Bremsregelsystemen melden, ob diese plötzlich auf die Fahrbahn rennen. Das können heutige Sensoren erst, wenn sich die Kinder in Richtung Fahrbahn bewegen - aber eben nicht vorher.

„Künftig wird das möglich sein. In Kombination mit immer besser werdender Hardware wie Radar, Lidar, Kamera und Ultraschall gehen wir von einer deutlichen Verbesserung in den nächsten Jahren aus“, sagt Joachim Missel.