80 Jahre DKW F1 80 Jahre DKW F1: Revolution an der Autofront

Zwickau/Ingolstadt/dpa. - Deutschland in den 20er Jahren desvergangenen Jahrhunderts: Der Krieg war überwunden, die Haute Volléeschlürfte wieder Champagner und die Autos konnten gar nicht groß undteuer genug sein. Man fuhr Acht- oder Zwölfzylinder. Es war die großeZeit von Marken wie Bugatti, Maybach oder Horch. Dann kam dieWirtschaftskrise. Die Konkurrenz aus Amerika machte den deutschenAutoherstellern das Leben schwer und die PS-Industrie fürchtete dieDepression. Deshalb beschloss Jörgen Skafte Rasmussen einen radikalenKurswechsel. Er war der Chef von DKW in Zwickau, hielt dieAktienmehrheit an Audi und wollte die Zukunft seiner Firmen mit einemwirtschaftlichen Kleinwagen sichern.
Weil es Spitz auf Knopf stand, bekamen die Ingenieure bei DKW nurwenig Zeit. Ein paar Vorarbeiten hatte es schon gegeben. Aber im Kernmussten ihnen sechs Wochen für die Konstruktion des Kleinwagensreichen. Damit es schnell ging und billig blieb, diente als Antriebein Zweizylinder aus der eigenen Motorradproduktion. Der Zweitakterwurde auf ein Stahlchassis geschraubt. Das Chassis trug eine mitKunstleder bespannte Holzkarosserie - so war es damals üblich.
Neue Wege beschritten die Konstrukteure dagegen bei der Wahl derAntriebsachse: Das Auto bekam keinen obligatorischen Heckantrieb,sondern einen Frontantrieb. Damit wurde der kleine Roadster, der imFrühjahr 1931 auf der Internationalen Automobilausstellung in BerlinPremiere feierte, zum weltweit ersten Großserienfahrzeug, bei dem dervorn montierte Motor auch die Vorderräder antreibt. Der von Rasmussengewählte Modellname F1 kommt deshalb nicht von ungefähr.
Für 1700 Reichsmark war der F1 vergleichsweise günstig zu haben.Er verkaufte sich 4353 Mal. Das neue Antriebskonzept sicherte lautAudi-Sprecher Peter Kober die Zukunft des Unternehmens. Bis 1942seien rund 270 000 Fronttriebler produziert worden. Nach dem Kriegbildeten die DKW-Frontwagen die Grundlage für den Wiederaufbau derAuto Union in Westdeutschland, erläutert Kober mit Blick auf die fast900 000 DKW, die von 1949 bis zur Umstellung auf die Audi-Palette imSommer 1965 gebaut werden.
Sonderlich viele Exemplare haben vom damals meistverkauftenKleinwagen der Republik nicht überlebt. Sammler Günter Schneiderkennt in Deutschland und dem benachbarten Ausland «höchstens einDutzend Autos, die noch fahren». Eines davon steht in seiner Garageim Sauerland und ist bei Oldtimer-Treffen meist der Star.
Wenn Schneider seinen tiefroten Roadster von 1931 aus der Garageholt, ist das wie eine Reise in die Vergangenheit. Man hört dastypische «Reng-teng-teng» des Zweitaktmotors, durch die Luft wabertder Dunst von verbranntem Benzin und Öl. Mit dem F1 reist mangemütlich: Zwar wiegt das Auto nur 435 Kilogramm, allerdings leistetder 494 Kubikzentimeter große Motor gerade einmal 11 kW/15 PS. «Vielmehr als 60 Sachen mag ich ihm nicht mehr zumuten», ruft Schneidergegen das Knattern des Motors an. «Wenn ich schneller fahren will,nehme ich ein modernes Auto.» Während er den Wagen mit der einen Handmühsam auf Kurs hält, bedient er mit der anderen die Schaltung, diewie eine um 90 Grad gedrehte Türklinke aus dem Armaturenbrett ragt.Und beim Abbiegen setzt er nicht den Blinker, sondern einen Winker.
Den Wagen so gut in Schuss zu bekommen, sei nicht leicht gewesen,erinnert sich der DKW-Experte. Als er ihn unmittelbar nach der Wendein Thüringen angeboten bekam, war das Auto schon mehrfach umgebautworden und ziemlich verrottet. Schneider baute den Wagen komplett neuauf. «Ich bin 15 000 Kilometer kreuz und quer durch Deutschlandgefahren - meist um zu lernen, dass es für dieses Auto quasi keineErsatzteile gibt», berichtet er. Da sei es praktisch gewesen, dass ersein Geld im Metallbau verdiene und viele Teile selbst nachfertigenkonnte, sagt der Sammler.
Wie viel sein Auto nach 80 Jahren und unzähligen Arbeitsstundentatsächlich wert ist, weiß Schneider gar nicht so recht. «Für michist es unbezahlbar.» Wer tatsächlich einen F1 kaufen will, hat lautSchneider ohnehin schlechte Karten: «So selten wie der F1 gewordenist, findet man den nicht im Internet oder in Kleinanzeigen.» DerSammler bedauert es, dass sich der F1 inzwischen so rar macht,schließlich spiele das Modell eine tragende Rolle in der Geschichtedes Automobils: «Als erster Fronttriebler aus der Großserie ist erder Vorreiter aller aktuellen Kleinwagen mit Frontantrieb.» ImTrabant hat die F1-Technik mit einem Zweitaktmotor, dessen Kraft aufdie Vorderräder übertragen wird, übrigens bis 1991 überlebt.
