"Attachment Parenting" "Attachment Parenting": Warum sehr enge Bindungen gut fürs Kind sind
Sonnenstrahlen sorgen für spannende Lichtreflexe auf Blättern und Zweigen, Schmetterlinge fliegen, Vögel zwitschern. Das Baby im Buggy blickt mit offenem Mund und großen Augen auf das Naturschauspiel am Frankfurter Mainufer, plappert und strampelt aufgeregt vor sich hin. Mit seiner Mutter teilt es seine Eindrücke nur selten.
Sie blickt auf ihr Smartphone, auf dem ständig neue Nachrichten aufpoppen. Eine alltägliche Szene, und gleichzeitig symptomatisch für das Fehlen dessen, was der Münchner Pädagoge Michael Schnabel in der Erziehung häufig vermisst: Feinfühligkeit und Verbundenheit, in der neueren Pädagogik „attachment“ genannt.
Signale der Kinder genau beobachten
Der Ansatz des Attachment Parenting bedeutet übersetzt so viel wie feinfühlige Erziehung. Der Stil steht dafür, dass Eltern ganz bewusst eine möglichst intensive Bindung zu ihrem Kind aufbauen, indem sie seine Signale genau beachten, sich ihm zuwenden und sich nach seinen Bedürfnissen richten. Begründer des Ansatzes war der amerikanische Kinderarzt William Sears.
Vor allem bei Babys bestimmt diese Einstellung die Qualität der Bindung zwischen Bezugsperson und Kind, erläutert Schnabel. „Natürlich ist es keiner Mutter und keinem Vater möglich, immer und alles an seinem Kind aufmerksam zu verfolgen und zu kommentieren.“ Die Grundhaltung sollte aber eine ihm zugewandte sein. So spüre das Kind, dass ihn seine Bezugsperson ernst nimmt.
Körperkontakt spielt große Rolle
Eine solche Zuwendung zeige sich beim Attachment Parenting auf vielen Ebenen, erklärt Andreas Engel. Er ist Diplom-Psychologe und stellvertretender Vorsitzender der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke). „Bereits direkt nach der Entbindung spielt der enge Körperkontakt zwischen Mutter - und auch zwischen Vater - und Kind eine ganz wesentliche Rolle.“
Eine sichere Bindung wirke sich direkt auf Neugierde und Lernbereitschaft der Kinder aus, sagt Schnabel, der das Thema am Institut für Frühpädagogik in München erforscht hat. „Je fester die Bindung des Kindes zur Bezugsperson ist, desto stärker fällt sein Wille zum Forschen und Experimentieren aus.“
Kind ins Elternbett oder ins eigene Zimmer?
Auch beim Schlafen, dem Dauerbrenner bei jungen Familien, wählen Anhänger von Attachment Parenting die Variante mit großer Nähe: Oft schläft das Kind mit im Elternzimmer, manchmal mit Mama und Papa zusammen im großen Familienbett. So lange Eltern und Kind diese Nähe genießen, sei dagegen nichts einzuwenden, sagt Engel. Wenn allerdings andere Bedürfnisse, Stress oder auch einfach Schlafmangel dagegen sprechen, sei es genauso in Ordnung, das Kind in einem eigenen Raum schlafen zu lassen.
Das meint auch der Familientherapeut Klaus Neumann, der Eltern beim Deutschen Kinderschutzbund in München berät. Damit sich keine Spannungen aufstauen, ermuntert er Eltern dazu, ihre eigenen Bedürfnisse ebenso zu berücksichtigen wie die der Kinder. Dazu gehöre, dem Nachwuchs deutliche Grenzen zu setzen.
Mit dem Baby reden – auch wenn es noch nicht spricht
Im Alltag reichen laut Schnabel drei Schritte, um feinfühliger auf das Kind einzugehen. Als erstes sollten Eltern ihr Kind stärker beachten, also wenn möglich aufmerksam verfolgen, was das Kleine tut. Zweitens: Mit dem Baby reden - auch und gerade wenn es selbst noch nicht sprechen kann.
Und als drittes: dem Baby eine Stimme geben. Der Erwachsene sollte möglichst genau erkennen, wofür sich der Säugling interessiert und dies mit eigenen Worten wiedergeben. Etwa, wenn das Baby gähnt, und der Vater zu ihm sagt: „Aha, du bist jetzt müde und möchtest dich ausruhen.“ (dpa)