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Ärger am Arbeitsplatz Ärger am Arbeitsplatz: Nicht vor Wut vorschnell kündigen

Von Berti Kolbow 29.03.2005, 10:38
Auch Arbeitnehmer müssen sich beim Kündigen an Regeln halten: Eine fristlose Eigenkündigung aus heiterem Himmel ist nicht möglich - es muss Schwerwiegendes vorgefallen sein. (Foto: dpa)
Auch Arbeitnehmer müssen sich beim Kündigen an Regeln halten: Eine fristlose Eigenkündigung aus heiterem Himmel ist nicht möglich - es muss Schwerwiegendes vorgefallen sein. (Foto: dpa) Jens Schierenbeck

Köln/Berlin/dpa. - Der Entschluss ist im Ärger schnellgefasst: «Ich kündige!» Liegt ein wichtiger Grund vor, kann dasArbeitsverhältnis tatsächlich fristlos beendet werden. Doch zuvormüssen Beschäftigte ihrem Arbeitgeber die Gelegenheit geben,Missstände abzustellen. Im Zweifelsfall muss der Arbeitnehmer seinenChef sogar zunächst abmahnen.

«Das ist vielen Arbeitnehmern nicht bewusst. Da gibt esNachholbedarf», sagt Heinz-Jürgen Kalb, Geschäftsführer des DeutschenArbeitsgerichtsverbandes in Köln. Auch Arbeitnehmer müssen sich beimKündigen an Regeln halten: Eine fristlose Eigenkündigung aus heiteremHimmel sei nicht möglich - es muss Schwerwiegendes vorgefallen sein.Triftige Gründe liegen vor, wenn der Lohn über längere Zeitausbleibt, die Kollegen mobben oder ständig Aufgaben erledigt werdenmüssen, die nicht im Arbeitsvertrag vereinbart sind.

Die Rechtsprechung sieht vor, dass der Arbeitgeber daraufnachweisbar hingewiesen werden muss. «Sonst kann er hinterher sagen:"Hätte ich davon gewusst, dann hätte ich es auch geändert"»,erläutert Martina Perreng, Arbeitsrechtlerin des DeutschenGewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin.

Diese Sichtweise bestätigt ein aktuelles Urteil (Az.: 4 Sa 653/04)des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz in Mainz. Ein Mann hattevergeblich seinen Ex-Chef wegen des Verlustes seines Arbeitsplatzesauf Schadensersatz verklagt. Zuvor hatte er selbst gekündigt, weil erbei der Zuteilung von Kurzarbeit benachteiligt worden sei. OhneAbmahnung hätte er das nicht tun dürfen, entschieden die Richter.

Auf Nummer sicher geht, wer die Abmahnung schwarz auf weißvorlegt. «Gerade um die Kündigung später vor der Bundesagentur fürArbeit zu rechtfertigen, empfiehlt sich eine schriftlicheAufforderung», betont Martina Perreng. Denn der Anspruch aufArbeitslosengeld bleibt trotz Eigenkündigung bestehen, sofern derAnlass plausibel ist.

Es gibt auch Fälle, in denen auf eine Abmahnung verzichtet werdenkann: «Wird ein Angestellter etwa von seinem Chef vor der gesamtenBelegschaft massiv beleidigt, kann er sofort gehen», erklärtHeinz-Jürgen Kalb. Ob eine Eigenkündigung gerechtfertigt war odernicht, ist ein häufiger Streitpunkt vor Gericht. «Wenn zum Beispieldas Monatsgehalt 4000 Euro beträgt und der Lohnrückstand nur 500 Euroausmacht, ist das kein ausreichender Grund», sagt Kalb.

Anders sieht es bei einer ordentlichen Kündigung aus. Bei dieserVariante kann ein Beschäftigter ohne Angabe eines Grundes gehen -muss aber eine Kündigungsfrist einhalten. Üblich sind vier Wochen.

Die Frist sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden.Wer einfach nicht mehr zur Arbeit kommt, etwa weil ein neuer Joblockt, riskiert eine Schadensersatzklage seines früherenArbeitgebers. Dabei gilt: «Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass ereinen Schaden hat, der höher ist als der eingesparte Lohn», erläutertDGB-Arbeitsrechtlerin Perreng. Dieser Fall könne eintreten, wennwegen nicht erledigter Aufgaben Einnahmen verloren gehen, etwa wennein Bauvorhaben nicht fertig wird, weil der Baustellenleiter dasHandtuch geworfen hat.

In der Praxis seien Schadensersatzansprüche nur schwer geltend zumachen, erklärt Jobst-Hubertus Bauer, Rechtsanwalt aus Stuttgart.Angestellte seien im Vorteil, weil durch ihr Wegbleiben entstandeneSchäden oft nicht darstellbar seien. Erfährt ein Arbeitgeber, dassein Angestellter bereits innerhalb der Kündigungsfrist zu einemdirekten Mitbewerber wechselt, kann er dies aber mit einereinstweiligen Verfügung verhindern, erläutert Bauer, der Vorsitzenderder Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein ist.So ein Vorgehen spiele aber eher beim Streit um Führungskräfte mitmehrmonatiger Kündigungsfrist eine Rolle.

Wer seine Kündigung bereut, hat mitunter schlechte Karten. EineRücknahme ist nur möglich, wenn der Chef mitmacht. «Geht er nichtdarauf ein, hat der Arbeitnehmer Pech gehabt», sagt ArbeitsrechtlerinMartina Perreng. Eine Kündigung sei ein so genanntes einseitigesRechtsgeschäft. «Wenn der Arbeitgeber sie auf dem Tisch hat, ist siewirksam.»