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Apfelwein Apfelwein: Köstlicher Tropfen

19.11.2009, 16:00

Halle/MZ. - Spricht der Hesse vom "Stöffche", dann meint er damit Apfelwein - oder auch Ebbelwoi, Eppelwoi, Äppelwoi oder Äppler, je nach Region. Weil eine Klimaverschlechterung den Weinbau rund um Frankfurt dramatisch zurückgehen ließ, entwickelte sich ab dem 16. Jahrhundert der vergorene Apfelsaft hier zum Nationalgetränk - bis heute: "Rund zehn Liter trinkt jeder Hesse jährlich, gegenüber einem Liter im Bundesdurchschnitt", sagt Klaus Sennewald vom Verband der deutschen Fruchtwein- und Fruchtschaumweinindustrie in Bonn.

Was die medizinischen Vorzüge des Apfelweins betrifft, herrscht in Hessen kein Zweifel: "Willste Dich gesund erhalte, trink 'nen Eppelwoi, ein kalte, tut der's in de Glieder reiße, trink en Eppelwoi, en heiße", reimt hier der Volksmund. Was ist dran? "Die im Apfelwein enthaltenen Vitamine, Mineralien, Gerbstoffe und Pektine sind gesundheitlich sehr wertvoll", sagt die Fachbuchautorin Gudrun Mangold aus Heidelberg. So wirken Gerbstoffe antioxidativ und antibakteriell, Pektine sind cholesterinsenkend.

Mit rund fünf Prozent hat Apfelwein nur halb so viel Alkohol wie Wein und etwa gleich viel wie Bier. Mit knapp 40 Kilokalorien pro 100 Milliliter liegt er aber noch unter dem Kaloriengehalt von Bier und vielen alkoholfreien Getränke - zumindest in der hessischen Variante. Manch alkohol- und zuckerreicherer britischer Cider hat wesentlich mehr. Noch kalorienärmer ist er als "Gespritzter" mit Mineralwasser.

Apfelwein schmeckt an jedem Ort anders, was laut Mangold mehrere Gründe hat. "Zunächst gibt es sehr verschiedene Apfelsorten - allein in Deutschland mehrere Tausend -, dazu kommen die Herstellungsmethoden, die von Region zu Region sehr unterschiedlich sind." Beim Gärprozess etwa spielt eine Rolle, ob man Hefe zusetzt, ob der Saft in Holzfässern oder Stahltanks gärt, oder ob die Gärung, wie beim Cidre, unterbrochen wird.

"Der hessische ist der einzige komplett durchgegorene Apfelwein", erläutert Steffen Ball vom Verband der hessischen Apfelwein- und Fruchtsaftkeltereien in Heusenstamm. Säure- und gerbstoffreiche Äpfel sorgen für einen eher herben Geschmack. Traditionell wird er in den Bembel, einen irdenen Krug, gezapft und aus dem "Gerippten" getrunken, einem Glas mit Rautenmuster. Dazu gibt es bevorzugt Deftiges wie "Handkäs mit Musik", kleine Sauermilchkäse in einer würzigen Marinade, oder Rippchen mit Sauerkraut. Innerhalb Deutschlands hat Apfelwein auch im Saarland und in der Pfalz Tradition, hier nennt man ihn "Viez". Beim in Baden-Württemberg, der Schweiz und Österreich beliebten Most wiederum handelt es sich oft nicht um reinen Apfelwein. "In Süddeutschland wird traditionell ein größerer Teil Äpfel mit einem kleineren Teil Birnen gemischt", erklärt

Mangold.

Eher mild, stark moussierend und daher sehr erfrischend ist der in der Normandie und der Bretagne hergestellte Cidre. Man unterscheidet zwei Haupttypen: den trockenen "Cidre brut" mit vier bis fünf Prozent Alkohol sowie "Cidre doux" mit zwei bis drei Prozent Alkohol und viel Restsüße. "Typisch beim Cidre ist, dass die Gärung in der Flasche abgeschlossen wird", sagt Mangold. Dabei entstehe viel Kohlensäure. Brut passt Cidre gut zu Galettes (Buchweizen-Crêpes), Fisch und Meeresfrüchten, doux zu süßen Crêpes. Klassisch wird er nicht aus Gläsern, sondern aus Steinguttassen getrunken.

Literaturtipps: Gudrun Mangold: Most. Das Buch zu Apfel- und Birnenwein, ISBN: 978-3-87407-557-2, 19,90 Euro

Konstantin Kalveram, Michael Rühl: Hessens Apfelweine, ISBN: 978-3-93878-328-3, 24,90 Euro.