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Alkohol am Arbeitsplatz Alkohol am Arbeitsplatz: Nicht wegsehen

Von VIVIEN LEUE 23.12.2010, 09:17

HAMM/HANNOVER/DPA. - Die Schnapsfahne am Morgen riecht man meilenweit. Im Gespräch wird gelallt: Wer regelmäßig zu viel Alkohol trinkt, fällt auf. Dennoch schauen Kollegen oft weg. Das schadet mehr, als es hilft. "Je früher jemand auf sein Alkoholproblem angesprochen wird, desto besser für ihn", sagt Christa Merfert-Diete von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen in Hamm. Denn in einem frühen Suchtstadium ist es um einiges leichter, vom Alkohol loszukommen.

Alkoholsucht ist eine Krankheit

Hannelore weiß das nur zu gut. Die Lehrerin hat jahrelang an ihrem Arbeitsplatz getrunken. Seit mehr als 20 Jahren ist sie trocken und Mitglied der Anonymen Alkoholiker. "Es ist schade, dass die Hilflosigkeit der Kollegen so groß war. Niemand wollte etwas bemerkt haben", sagt sie im Nachhinein. Die Alkoholsucht sei eine Krankheit des Lügens und Verleugnens - auch vor sich selbst. "Je früher dieser Kreislauf durchbrochen wird, desto besser", sagt Hannelore.

Denn wer darauf angesprochen wird, dass er nach Alkohol riecht oder unkonzentriert wirkt, gerät immer mehr unter Druck. "Und je größer der Druck, desto größer ist die Chance, dass jemand auch etwas unternimmt", erklärt Hannelore. Warum sie damals von ihren Kollegen jahrelang gedeckt wurde, weiß sie nicht so recht. "Angeblich hat es kein Mensch mitbekommen oder wollte es nicht mitbekommen." Sie hat die Sucht aus eigenem Antrieb und nach langen Kämpfen allein überwunden. Darauf ist sie stolz. Heute arbeitet sie wieder als Lehrerin.

Aufklärung der Mitarbeiter

Ute Pegel-Rimpl versucht dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst so weit wie bei Hannelore kommt. Sie leitet ein Büro für betriebliche Suchtprävention und Suchthilfe in Hannover und versucht, Mitarbeitern die Augen zu öffnen für das Problem Alkohol am Arbeitsplatz. "Es geht dabei nicht nur um diejenigen, die schon in den Brunnen gefallen sind, sondern auch um die, die einen riskanten Alkoholkonsum haben." Denn die Übergänge vom normalen Trinkverhalten zum Alkoholmissbrauch sind fließend.

Eine Abhängigkeit entwickelt sich nicht von heute auf morgen, sondern oft im Laufe mehrerer Jahre. Ein Alarmsignal kann sein, wenn ein Kollege sich bei Betriebsfesten immer wieder bis zum Rausch betrinkt. Aber auch das tägliche Feierabendbier ist auf Dauer nicht gesund. Wer zudem morgens oft verkatert zur Arbeit kommt, Stimmungsschwankungen zeigt oder nervös und reizbar ist, sollte darauf angesprochen werden.

Gespräch mit Betroffenen

Ute Pegel-Rimpl schätzt, dass jeder fünfte bis zehnte Mitarbeiter in einem Unternehmen einen riskanten oder gar schädlichen Konsum mit Suchtmitteln aufweist. Es ist also nicht so unwahrscheinlich, dass man selbst einen solchen Mitarbeiter im Betrieb hat. "Das Problem ist: Je netter ein Kollege ist, umso kränker muss er oft werden, bis er endlich angesprochen wird", sagt Pegel-Rimpl.

Suchtexpertin Pegel-Rimpl rät, dem Kollegen offen zu sagen, dass einem das Gespräch schwerfällt und dass man das Thema nicht gerne anspricht. "Ich kann demjenigen auch sagen, dass ich es nicht ansprechen würde, wenn ich ihn nicht mögen würde." Ein guter Einstieg sei auch: "Ich möchte lieber mit Dir sprechen als über Dich."

Ein guter Gesprächszeitpunkt ist kurz vor dem Feierabend oder dem Wochenende. So hat der Kollege Zeit, in Ruhe über das Gehörte nachzudenken. Besonders gut ist es, wenn gleich mehrere Kollegen ihn ansprechen. "Wenn viele auf den Kollegen zukommen, dann muss er sich Gedanken machen", so die Erfahrungen von Merfert-Diete.

Weitere Informationen im Internet:

www.alkohol-hilfe.de

www.forum-alkoholiker.de