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Zum Todestag am 12. Februar 1804 Zum Todestag am 12. Februar 1804: Immanuel Kant - philosophischer Weltbürger par excellence

Von Thomas Oser 09.02.2004, 17:01
Der Philosoph Immanuel Kant («Kritik der reinen Vernunft») in einer zeitgenössischen Darstellung (Archivfoto). Er wurde am 22. April 1724 in Königsberg geboren und starb am 12. Februar 1804. Kants Werke kamen erst zu später Würdigung und freuen sich nun zu seinem 200. Todestag am 12.02.2004 aber großer Popularität. (Foto: dpa)
Der Philosoph Immanuel Kant («Kritik der reinen Vernunft») in einer zeitgenössischen Darstellung (Archivfoto). Er wurde am 22. April 1724 in Königsberg geboren und starb am 12. Februar 1804. Kants Werke kamen erst zu später Würdigung und freuen sich nun zu seinem 200. Todestag am 12.02.2004 aber großer Popularität. (Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - Doch der Ausspruch zielte auch darauf ab, dass zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts die philosophische Entwicklung - mit Fichte, Schelling und später Hegel an der Spitze - die Gedankensysteme Kants bereits hinter sich gelassen hatte. Zweihundert Jahre nach dem Tod des Begründers der Transzendentalphilosophie stellt sich dieser Sachverhalt jedoch in einem anderen Licht dar: Für viele Philosophen ist Kant der bedeutendste Denker nach Platon und Aristoteles und seine Einsichten gelten nach wie vor für aktuell.

Der Berliner Professor Volker Gerhardt, der unter anderem den Band «Immanuel Kant. Vernunft und Leben» veröffentlicht hat, verweist in erster Linie auf Kants Schrift «Zum ewigen Frieden», die 1795 erschienen ist. «Von dieser kann die UNO heute lernen», sagt Gerhardt, «dass sie nicht jeden Staat aufnimmt, sondern nur diejenigen, die die republikanischen Ideen wie Freiheit und Gleichheit gewährleisten.» Kant habe vor allem in den demokratischen Prinzipien die Garantie für den Weltfrieden gesehen.

Weiterhin spielt Kant auch in den Diskussionen des Nationalen Ethikrats, dessen Mitglied Gerhardt ist, eine prominente Rolle. Vor allem die Kirchen stützen sich auf Kants Auffassung, wonach schon das ungeborene menschliche Leben den Status einer Person hat. Gerhardt selbst sieht in Kant den ersten großen modernen Theoretiker des Lebens: «Wenn es stimmt, dass in der Wissenschaftstheorie zurzeit das physikalische Paradigma durch das biologische Paradigma abgelöst wird, dann kann hierfür Kant als eine der Leitfiguren betrachtet werden.»

Auch der Berliner Kulturwissenschaftler Hartmut Böhme, der in den 1980er-Jahren als Kant-Kritiker hervorgetreten ist, hält Kant zweifelsfrei für einen der ganz Großen der Philosophiegeschichte. Dennoch dürfe seine Bedeutung als Denker der Moderne nicht überschätzt werden: «Der Eindruck, dass es ohne Kant keine Aufklärung gegeben hätte, ist falsch«, meint Böhme. Die Kant'sche Philosophie sei vielmehr als das Resümee eines Prozesses zu sehen, der maßgeblich von Descartes, Hobbes und Leibniz vorangebracht worden sei.

Doch zur Aufklärung im Sinne Kants gibt es Böhme zufolge keine Alternative: «Aufklärung heißt Verbesserung der Bildung und nur so ist eine soziale Evolution hin zu mehr Demokratie möglich. Zu kritisieren ist lediglich, dass diese Bewegung nicht stark genug ist, was nicht zuletzt an der Schwäche der UNO abzulesen ist.»

Anlässlich des 200. Todestages warnt Böhme davor, Kant zu einem deutschen Superstar zu stilisieren, um sich dann seiner Autorität zu unterwerfen. «Dies widerspricht Kants Diktum, demzufolge es gerade darauf ankommt, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen.»

Als philosophischen Weltbürger par excellence sieht der Tübinger Philosoph Otfried Höffe, von dem im vergangenen Herbst der viel beachtete Kommentarband «Kants Kritik der reinen Vernunft» erschienen ist, seinen berühmten Vorgänger. «Kant entwickelt, was im Zeitalter der Globalisierung hochaktuell ist, ein nicht etwa eurozentrisches, sondern inter- und transkulturell gültiges, ein wahrhaft kosmopolitisches Denken.« Zugleich stelle er, so Höffe, der postmodernen Beliebigkeit sowohl ein Wissen als auch ein Sollen entgegen, die für jedermann gültig seien.

Vor allem hebt der Leiter der Tübinger Forschungsstelle Politische Philosophie Kants Verdienste in diesem Bereich hervor: «Kant stellt das Zusammenleben der Menschen unter den Rechtsgrundsatz der allgemein verträglichen Freiheit und fordert ihn sowohl für die einzelnen Gemeinwesen als auch deren weltweites Zusammenleben ein.» Darüber hinaus erhebe Kant, so Höffe, mit dem von ihm postulierten Weltbürgerrecht Einspruch gegen jede Form von Kolonialismus und Imperialismus.

Wer sich über die Aktualität der Kant'schen Philosophie von der Erkenntnistheorie bis zur Ästhetik ein differenzierteres Bild machen möchte, für den dürfte der im Verlag de Gruyter erschienene Band «Warum Kant heute?» von Interesse sein. Die 15 Beiträge sind von renommierten Wissenschaftlern, darunter Iring Fetscher und Klaus Düsing, verfasst, allerdings stellen sie für Laien keine ganz einfache Kost dar.

Einen leichteren Zugang versprechen die zum 200. Todestag erschienenen Biografien über Kant. Manfred Kühn und Steffen Dietzsch räumen in ihren Arbeiten mit dem auf Heinrich Heine zurückgehenden Vorurteil, Kant habe weder Leben noch Geschichte gehabt, überzeugend auf. Manfred Geier blickt zudem in dem Band «Kants Welt» auch darauf, wie Kant'sche Ideen von modernen Denkern wie Michel Foucault und Jürgen Habermas aufgenommen wurden.