Zum Tod von Peter Hacks Zum Tod von Peter Hacks: Rote Sommer, verweht
Halle/MZ. - Auch das konnte Peter Hacks wie kein Zweiter: Angst und Schrecken verbreiten. Die klingelnde Kulturindustrie mied ihn, der maulige Kulturbetrieb sowieso - die große Kantine der Kollegen von einst und jetzt. Die Furcht vor Hacks zog vor allem durch die Reihen jener, die sich mit ihm im Glauben an die DDR verbunden wähnten. Diese Verbundenheit war ein Irrtum, eine Anmaßung auch, aber die Staatsgesellschaft Ost fand ja in der vereinnahmenden Anmaßung gegenüber einem jeden Einzelnen ihre natürliche Umgangsform.
Hacks, der ein Kommunist, aber nie SED-Mitglied gewesen ist, war seine eigene Partei. Er war kein Mann der Republik, sondern der einer idealen absolutistischen Monarchie von links. Seine beste Zeit erlebte Hacks im Staate Ulbrichts, der der DDR ihre "Golden Sixties" bescherte, einen gehobenen Sinn für alles Klassische, für Antiquitäten und schöne Frauen inklusive. "Die Monarchie", sagte Hacks, "hat den Vorteil gegenüber dem Sozialismus, daß sie schwer abzuschaffen ist. Richtig ist, daß in absolutistischen Zeiten das Land blüht, wenn der Fürst ein großer Mann ist, und hungert und Kriege verliert, wenn der Fürst ein Idiot ist."
Dass Hacks den Staatsmann Ulbricht nicht für einen Idioten hielt, ist mehr als nur eine kauzige Obsession, auch die Historiker sehen das immer deutlicher. Egal, wie man jeweils dazu steht: Ulbricht hatte einen Plan und Energie, dieser Mann war ein Gestalter; Honecker war gefallsüchtig und entscheidungsschwach, er war ein Verwalter, zudem einer, der Tatsachen nicht zur Kenntnis nahm. Hacks, der Stalin für einen großen Mann hielt, litt hart an dem, was er die "Sozialdemokratisierung des Weltkommunismus" nannte.
Andererseits war mit ihm im Staate DDR nie ein platter Staat zu machen. Das lag an dem, was eben auch die Furcht vor Hacks auslöste: seine intellektuelle und stilistische Brillanz, seine Frechheit, seine Unabhängigkeit, seine Geradlinigkeit - dieser Mann sammelte Opfer um sich ohne Zahl; wer sich ihm in schmieriger Zuneigung näherte, der kehrte gebrochen heim und erholte sich nicht mehr.
Hacks war kein Dissident, also einer, der sich von einer Linie entfernt, sondern in einem nicht alltagspraktischen Sinne war er immer Opposition: Er war dagegen, auch weil er kaum Partner auf seiner Augenhöhe sah. Nicht die Revolution von links war sein Ideal, sondern die gesellschaftliche Statik danach: der große rote Sommer. Alle DDR-Reformer waren Hacks ein Gräuel - von Biermann bis Christa Wolf. Klassizität und Kommunismus standen für ihn in einem Spannungsverhältnis, das ihn auf Trab hielt - und den kleinen Hofstaat, der ihn umschwirrte sowieso. Von "roten Preußen" sprach da der Dichterkollege Robert Gernhardt sehnsüchtig von Westen her.
In Breslau 1928 als Sohn eines Rechtsanwaltes geboren, studiert Hacks Soziologie, Philosophie und Theaterwissenschaften in München, von wo aus er 1955- und gegen den Rat von Brecht - in die DDR übersiedelt. Fortan erschreckt er mit Theaterstücken wie "Die Sorgen und die Macht" - kaum auf der Bühne, schon abgesetzt.
Hacks, der den Kollegen Heiner Müller als Ranschmeißer an den Publikumsgeschmack begriff, geht nicht mit der Mode, auch nicht jener der SED. Als diese ihre Dichter aufforderte, Arbeiterliteratur zu liefern, antwortet er mit nur acht Zeilen: "Der Dichter hat sich früh erhoben./ Er will in einer kleinen Schrift/ Das Glück des Sozialismus loben,/ Das viele, doch kaum ihn, betrifft./ Da sieht er unterm Morgengrauen/ Im Herbstfeld die Kartoffelfrauen./ Sie rutschen auf dem Bauch./ Er blickt sie an: ihr auch?"
Es folgen Hacks-Klassiker wie "Adam und Eva", "Die Schöne Helena" und der nachhaltigste Bühnenerfolg "Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe". Rund fünfzig Dramen, mehr Lese- als Spielstücke allesamt. So wie Hacks treffend über Stephan Hermlin sagte, den er als Blender verachtete, dass "schon immer so etwas Posthumes in seinem Wesen" gewesen sei, so waltet in Hacksens Stücken ein ästhetisierender Autismus, der zwar unterhaltsame Momente liefert, im Ganzen aber oft kalt lässt.
Ganz anders hingegen seine Essayistik, große Texte wie "Die Maßgaben der Kunst" oder "Zur Romantik": Das ist höchste, im besten Sinne provozierende Kunst, wenngleich Hacksens ideologischer Säuberungsfuror gegen die Romantik seine private Romantik blieb.
Nach 1989 erhielt Hacks neuen Zulauf, das west-dissidentische Milieu entdeckte ihn als negativen Klassiker. Er, der so gerne der Goethe einer fabelhaften DDR geworden wäre, schaffte es, sich seine Schärfe zu erhalten - und unter aller Klassizität eine betörende Heiterkeit. Am Donnerstag, Goethes 254. Geburtstag, ist Peter Hacks 75-jährig nach langer schwerer Krankheit in Berlin gestorben. Um 16 Uhr, wie der Eulenspiegel-Verlag meldet - und friedlich.