Zum Tod von Max Kruse Zum Tod von Max Kruse: "Ich dachte an gefrorene Forellen"

Halle (Saale) - Seine bekanntestes Geschöpf ist ein kleiner Dinosaurier mit einem Sprachfehler, der auf der Insel Titiwu lebt und einen Schnuller um den Hals trägt: Urmel heißt der kleine lispelnde Kerl, der nicht nur im Buch, sondern auch durch die Fernseh-Inszenierung der Augsburger Puppenkiste zu einem Liebling der Kinder wurde.
Das erste Urmel-Abenteuer erschien 1969 und damit lange bevor Nachbildungen von Urzeitlebewesen zur Ausstattung von Kinderzimmern gehörten. Erfunden hat den tollpatschig-liebenswerten Dino Max Kruse. Wie der Verlag Thienemann-Esslinger gestern mitteilte, starb der seit vielen Jahren zurückgezogen im oberbayrischen Penzberg lebende Autor am Sonntag im Alter von 93 Jahren.
Begonnen hatte Kruses Leben in Bad Kösen, wo er am 19. November 1921 geboren wurde. Er war das jüngste von sieben Kindern berühmter Eltern: des Bildhauers Max Kruse (1854-1942) und der Puppenmacherin Käthe Kruse (1883-1968). Als stets kränkliches Kind, das viel las, wurde er zeitweise von Hauslehrern unterrichtet – und zum Einzelgänger. „Meine Schulbildung war ein Desaster“, bekannte er später. Ein 1942 begonnenes Studium in Jena konnte er kriegsbedingt nicht beenden.
„Schreib doch nicht immer so leichte Sachen.“
Nach 1945 half er, die in Kösen enteignete Puppenfabrik seiner Mutter im Westen wieder aufzubauen. Seit den frühen 50er Jahren schrieb Kruse Kindergeschichten. Das erste Buch „Der Löwe ist los“ (1952) entstand auf Wunsch der Mutter, obwohl die ihn oft ermahnte: „Schreib doch nicht immer so leichte Sachen.“ Es wurde erst Jahre später durch die Augsburger Puppenkiste populär, die es 1965 für das Fernsehen inszenierte.
Da lebte Kruse bereits in München, wo auch die Kollegen James Krüss, Otfried Preußler und Michael Ende ansässig waren. „Zusammen formierten diese vier, was im Nachhinein wie eine Gruppe 47 des Kinderbuches wirkt. Ihre Bücher machten die Kinderliteratur nach 1945 wieder anschlussfähig“, konnte man in einer Würdigung zu Kruses 90. Geburtstag lesen.
Der beschenkte die kleinen Leser neben den „Löwe“-Geschichten auch mit den Abenteuern von „Don Blech“ und „Lord Schmetterhand“. Sein größter Erfolg aber blieb Urmel. 45 Jahre nach dem ersten Band erschien 2013 der letzte: Mit „Urmel saust durch die Zeit“ wollte er Kindern die Evolutionstheorie nahebringen. Nicht von ungefähr, denn Kruse verfasste auch religionskritische Werke und gehörte zum Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung, die sich die Förderung eines „evolutionären Humanismus“ zum Ziel gesetzt hat.
Einmal danach gefragt, wie er auf die Idee des Urmel kam, antwortete Kruse mit kindlicher Offenheit: „Ich dachte an gefrorene Forellen in der Tiefkühltruhe zum Abendessen. Dann überlegte ich, wie es wäre, wenn ein Tier aus der Urzeit im Eis überdauert hätte und heute ausgebrütet würde.“ (mz)
