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Zum Tod von Luise Rinser Zum Tod von Luise Rinser: Der Sinn allen Lebens ist Liebe

Von Elke Biesel 18.03.2002, 09:28
Luise Rinser
Luise Rinser dpa

Halle/MZ. - Beim Schreibenhabe gezählt, dass "ich mich entwickelt habe,dass ich mich immer noch entwickle, ,immerauf dem Weg', wie ich irgendwo mal geschriebenhabe, jetzt auf dem Weg zum Sterben, langsam."Am Sonntag ist die Schriftstellerin LuiseRinser kurz vor ihrem 91. Geburtstag am 30.April in einem Stift in Unterhaching gestorben.

Bleiben wird neben Rinsers Werken, von denenmehr als fünf Millionen Exemplare verkauftwurden, die Erinnerung an ihr streitbares,polarisierendes Wesen und ihren unermüdlichenEinsatz für Humanität und Gerechtigkeit. Inihrem Buch "Septembertag" schreibt Rinser:"Ich lasse nicht die Welt draußen vor derTür, um drinnen, allein, auf spirituelle Weiseglücklich zu sein; ich nehme vielmehr entschlossendie Unruhe der Welt mit hinein."

Auch konkretes politisches Handeln war indem Engagement der "gefühlsmäßigen Antikapitalistin"und "religiösen Sozialistin" mit eingeschlossen.In den bewegten 70er Jahren half sie WillyBrandt in seinem Wahlkampf und setzte sichfür seine neue Ostpolitik ein.

1970 besuchten gar Gudrun Ensslin und AndreasBaader die Autorin in ihrer Wahlheimat Roccadi Papa bei Rom. Diese Stippvisite zweierTerroristen auf der Durchreise brachte Rinserkurzzeitig in den Verdacht, der Roten ArmeeFraktion nahe zu stehen, was aber rasch offiziellwiderlegt wurde.

Zweifelhaft wurden Rinsers politischeSympathien erst später: Anfang der 80er Jahrepublizierte sie ihr "Nordkoreanisches Tagebuch",in dem Alleinherrscher Kim Il Sung die Zügeeines Heilsbringers trägt - eine Einschätzung,die wohl nur mit politischer Naivität erklärtwerden kann. Trotzdem wurde die bekennendeAntifaschistin, die 1944 von den Nazis wegenHochverrats inhaftiert worden war ("Gefängnistagebuch"),1984 von den Grünen als Kandidatin für dasAmt des Bundespräsidenten nominiert.

Aus dem vielfältigen Schaffen Luise Rinsers,das Romane, Essays, Erzählungen Tagebücherund Theaterstücke umfasst, muss vor allemdie Bedeutung ihrer frühen Werke heraus gehobenwerden. In "Jan Lobel aus Warschau", 1948erschienen, beschreibt Rinser in knapper eindrucksvollerSprache wie ein aus dem KZ geflüchteter Judefür einige Zeit Unterschlupf findet in derGärtnerei eines kleinen deutschen Dorfes.

Es sind die Frauen, die ihn verstecken - unddamit sind zwei große Themen in Rinsers Schaffenbereits angerissen: Es ist die Lebensbewältigungaus weiblicher Sicht, die auch in so erfolgreichenRomanen wie "Mitte des Lebens", "Daniela"oder "Die vollkommene Freude" eine zentraleRolle spielt. Und es ist die Liebe.

Zu diesem wichtigen Motiv in Rinsers Schreibenheißt es in einem ihrer letzten Tagebücher("Kunst des Schattenspiels 1994-1997"): "DerSinn ist Liebe. (...) und alles ist unendlicherLiebe wert, und das ,Nichts' wird ,Alles'indem man es liebt. Diese Liebe gilt Bäumen,Tieren, Steinen und Menschen. (...) So zulieben, gibt dem Leben seinen frag-losen Sinn."

Auch ihren Lesern habe sie helfen wollen,zu lieben und ihr Leben zu bewältigen, hatLuise Rinser einmal gesagt. Bei der Literaturkritikist diese Einstellung auf Skepsis gestoßen,nur selten hat Rinser sie mit ihren Werkenfür sich gewinnen können. Pathos und Kitschhat man gerade ihren späteren Werken vorgeworfen.

"Ich habe die Kritiker nicht gebraucht", hatsie darauf geantwortet, denn ihre Leser sindihr treu geblieben durch all die Jahrzehntehindurch. "Mein Leben genügt mir, so wie eswar. Ich muss mich nicht schämen", hat siezu ihrem 90. Geburtstag betont.