1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Zum Tod von Harald Juhnke: Zum Tod von Harald Juhnke: Reise auf der Achterbahn

Zum Tod von Harald Juhnke Zum Tod von Harald Juhnke: Reise auf der Achterbahn

Von Margit Boeckh 01.04.2005, 17:03

Halle/MZ. - Lange schon war der einstige Medienstar dahin gedämmert, demenzkrank, in seiner eigenen Welt als Folge seiner zahllosen Alkoholeskapaden. Manchmal freilich soll er sich erinnert haben. Hielt den Pfleger für den Portier einer der Nobelherbergen, in denen er als Star abzusteigen pflegte, wartete plötzlich wieder auf den Wagen, der ihn zum Drehort bringen sollte, oder rief nach dem Regisseur. Ein Szenario zwischen Tragik und Komödie, wie er es selbst so oft und so erfolgreich gespielt hat.

Überhaupt passte manches in Juhnkes Leben zusammen, als hätte ihm ein klischeeverliebter Autor die Rolle auf den Leib geschrieben. Eine Endlos-Geschichte zwischen bumsfidel und ausgebrannt, Klamotte und Tragödie, barfuß und Lackschuh. Eine Turbo-Karriere hatte der Junge aus dem Arbeiterviertel Wedding hingelegt, seit er 1948 im Berliner Maxim-Gorki-Theater in der Rolle eines russischen Offiziers zum ersten Mal auf der Bühne stand. Am selben Ort brillierte er fast genau ein halbes Jahrhundert später als "Hauptmann von Köpenick" in seinem größten Theatertriumph, den er kurz darauf in Frank Beyers Fernseh-Neuverfilmung des Zuckmayer-Stückes noch toppte. Denn der vielseitige, schillernde Entertainer war auch ein wirklich guter Schauspieler und suchte sich jenseits des Boulevard-Klamauks als solcher immer wieder zu beweisen.

Er spielte Molieres "Geizigen" und den Tartuffe und wurde für seine Rolle in "Schtonk", der Filmsatire um die gefälschten Hitler-Tagebücher, mit dem hoch angesehenen Ernst-Lubitsch-Preis geehrt. Dass schließlich die Titelfigur in der Fernsehverfilmung von Falladas "Trinker" zu Juhnkes Paraderolle wurde, passt wiederum zur drehbuchreifen Juhnke-Biographie.

Dass er den internationalen Ruhm seiner drei Götter - Sinatra, Montand und Brando - gleichwohl nicht erringen konnte, berlinerte er flapsig hinweg mit der Bemerkung "In Deutschland bin ick weltberühmt". Und ließ doch dahinter die Melancholie nicht erfüllter Träume erahnen. "My Way" in Vegas oder so ...

Überhaupt hatte Juhnke, wie ihn die Fernsehnation durch und durch zu kennen meinte, viele geheime Gesichter. Seine Frau Susanne hat im Buch "In guten und in schlechten Tagen" den Mann beschrieben, den sie auch erlebt hat. Szenen des Achterbahn-Lebens mit einem Alkoholkranken. Zwischen Hochstimmung und Absturz immer wieder Hoffnung, bis auch die nicht mehr bleibt. Denn die Tragödie des wirklichen Juhnke-Lebens resultierte auch daraus, dass er als der bekannteste Alkoholiker des Landes zugleich der beliebteste war.

Einer, dem man zu seinem eigenen Schaden alles und immer verzieh. Lange war er ja auch der staunenswerte Steher, der sich nach gefährlichen Abstürzen immer wieder aufrappelte und sich schon mal selbst auf die Schippe nahm. Wohl wissend, dass er im Publikum immer nur Verbündete hatte.

"Mir wäre es am liebsten", hat Harald Juhnke einmal gesagt, "wenn ich auf der Bühne tot umfiele." Doch dieses Drehbuch hatte nun einen anderen Schluss.

Der RBB zeigt heute ab 20.15 Uhr einen "Gernsehabend" mit Harald Juhnke.