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Zum Tod der Regisseurin Leni Riefenstahl Zum Tod der Regisseurin Leni Riefenstahl: Leiden in eigener Sache

Von Andreas Montag 09.09.2003, 17:57

Halle/MZ. - Nun wird die Künstlerin wieder einmal (zum letzten Mal?) gegen ihre Verstrickung aufgewogen werden, das Attribut "umstritten" hat einmal mehr Konjunktur - wie immer, wenn es um Leni Riefenstahl geht. So schwierig ist der Fall? Dabei sind wir doch nicht Gott, der zu richten hat. Und niemand muss schlagartig vergessen, was er zu wissen glaubt - nur, weil man nunmehr öffentlich nur noch Gutes über sie zu sprechen hätte. Am Montagabend ist die Regisseurin und Fotografin Leni Riefenstahl in ihrem Haus am Starnberger See gestorben. Sie wurde 101 Jahre alt.

Wenn es denn jemals Einigkeit zwischen ihr und ihren Kritikern gab, dann höchstens darüber: Leni Riefenstahl hat seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein tragisches Leben geführt. Geht es um den Grund, standen (und stehen) die Positionen einander unversöhnlich gegenüber. Diesen Konflikt wird auch der Tod nicht aufheben.

Die Riefenstahl, ein Medienprofi und meisterlich in der Selbstinszenierung, hat bis zuletzt darauf beharrt, allein die Kunst im Sinn gehabt zu haben - und mit den Nazis nichts zu schaffen. "Diese große Auszeichnung wird mir die Kraft geben, für Sie, mein Führer, und für Ihr großes Werk Neues zu schaffen", telegrafierte Frau Riefenstahl 1935 an Adolf Hitler als Dank für den nationalen Filmpreis.

Später hat sie wortreich bedauert, Hitler kennen gelernt zu haben: "Mein ganzes Leiden nach dem Krieg ist ja nur dadurch entstanden". Flott wendete sie die Schuldfrage gegen die Fragenden. Nein, für das "Dritte Reich" will sie nicht getrommelt haben - nicht mit den Bildern vom Reichsparteitag der NSDAP ("Triumph des Willens", 1934), nicht mit dem 1936 begonnenen Film über die Olympischen Spiele in Berlin. Genau darin aber bestand ja Riefenstahls Tragödie: Nicht einsehen zu wollen, dass ihre perfekten Bilder im Kontext der Hitlerei das Werbegeschäft der Nazis befördert haben.

Es fällt nicht schwer zu verstehen, weshalb die Hochbegabte dies nicht wahr haben mochte und stets wie vor Gericht agierte, bis man ihr etwa die Nähe zu den Nazi-Bonzen bewies: Sie hätte ihr Künstlertum als verletzt, ja entwertet eingestehen - und auf Distanz zu ihrer Haltung gehen müssen. Den Preis hat sie nicht zahlen wollen - und sich selbst dafür das Stigma des Opfers zuerkannt. Im hohen Alter wurde ihr das zunehmend mit einer gewissen, wolkigen Verklärung honoriert, Halsstarrigkeit nahm man jetzt auch als Tapferkeit wahr.

Als sich ihr 100. Geburtstag im vergangenen Jahr näherte, nahm das Verständnis allgemein zu: Nun, da sie so betagt ist - wollen wir die alten Geschichten nicht ruhen lassen? Sandra Maischberger spielte ihr im TV-Interview bei Arte einen denkwürdigen Ball zu: Ob sie nicht eine Parallele ihres eigenen Schicksals zu dem Marlene Dietrichs erkenne? Schließlich seien beide nach dem Krieg in Deutschland nicht gut gelitten gewesen: Sie, die Riefenstahl, weil sie für - die Dietrich, weil sie gegen die Nazis Propaganda gemacht habe. So kann man es freilich auch sehen.

Dieses Leben wird bestimmt verfilmt werden. Die Karrieren der ehrgeizigen Frau geben Stoff in Fülle: Tänzerin, Schauspielerin, Regisseurin, Fotografin. Dazu kommt die Legende ihrer Einsamkeit, an die man recht gern glauben mochte - bis man die 100-Jährige vor einem Jahr beschwingt mit Freunden wie Siegfried und Roy sah. Den Tod, sagte sie einmal, stelle sie sich als das Schönste, als Erlösung vor. So wird sie, hoffentlich, zu ihrem Frieden gefunden haben.