Wolfgang Spier Wolfgang Spier: «König des Boulevardtheaters» wird des Spielens nicht müde

Berlin/dpa. - Er ist der «ungekrönte König desBoulevardtheaters». Wolfgang Spier, der am Dienstag (27.9.) 85 Jahrealt wird, steht bis heute fast jeden Abend auf der Bühne. «Nur durchdie Arbeit bleibe ich fit», sagt der Schauspieler und Regisseur imGespräch mit der dpa. «Wenn ich spiele, dann steigt derAdrenalinspiegel und der Puls geht auf 150 - also wozu muss ichjoggen?», meint Spier lachend. In den nächsten Monaten spielt derUnermüdliche in Berlin, Frankfurt am Main, Köln und Hamburg. «DasJahr 2006 ist schon total ausgebucht, es macht mir einfach Spaß», soSpier. «Wer will sich schon ein Leben lang erholen.»
Spier beherrscht die schwere Kunst der leichten und dennochniveauvollen Unterhaltung. 250 Stücke aller einschlägigen Boulevard-Autoren von Neil Simon bis Curth Flatow hat er auf die Bühnegebracht. In vielen Inszenierungen trat er selbst als Schauspielerauf. Zu seinen Glanzstücken gehörten die «Sonny Boys» mit HaraldJuhnke, «Ein Käfig voller Narren», «Vater einer Tochter» und «MeinFreund Harvey». Als «Charakterkomiker» liebe er vor allem diekomisch-tragischen Figuren, sagt Spier. «Wenn man es schafft, dassdie Zuschauer in der selben Aufführung Tränen lachen und weinen, dannhat man es gut gemacht.»
Sein Erfolgsgeheimnis? «Das kann ich nicht sagen», meint Spier.«Scheinbar habe ich die Gabe, den Geschmack des Publikums zutreffen.» Mit Freunden wie Walter Plathe, Wolfgang Völz, CurthFlatow, Anita Kupsch und Edith Hancke feiert er am Abend des 26.September im Berliner Theater am Kurfürstendamm in seinen Ehrentaghinein. Als Geburtstagsgeschenk hat er sich die Rolle des CharmeursVal in Alan Ayckbourns «Sugar Daddys» gewünscht: Premiere derdeutschsprachigen Erstaufführung ist am 13. Oktober am Kudamm-Theater.
Am 27. September 1920 wurde Spier in Frankfurt am Main als Sohneines Psychologen geboren. «Die Träume und Wünsche, die ich alsjunger Mensch hatte, konnte ich als Halbjude unter den Nazis nichtverwirklichen», erinnert sich Spier in seinen unter dem Titel «Dabeifällt mir ein...» (Henschel Verlag) veröffentlichten Memoiren. Erwollte eigentlich Arzt werden, «ich wurde wenigstensBankangestellter.» Es waren dann Zufälle, die ihn zum Theaterbrachten.
1945 begann er in Berlin eine Schauspielausbildung. Dann war SpierRegieassistent bei Karl-Heinz Stroux, unter dem er in den 50er Jahrenauch als Schauspieler und Regisseur am Düsseldorfer Schauspielhausarbeitete. Später war Spier auch viel beim Hörfunk und imSynchronstudio gefragt und führte Kabarett-Regie bei den Berliner«Stachelschweinen» und den «Wühlmäusen». Populär wurde er besondersals Moderator der TV-Sendung «Wer dreimal lügt». Für das Fernseheninszenierte er auch die Comedy-Serie «Ein verrücktes Paar» mit HaraldJuhnke und Grit Boettcher.
Die Zukunft des Boulevardtheaters sieht Spier nicht in Gefahr.«Die Leute wollen immer unterhalten werden. Sie wollen ab und zu malabschalten und nicht immer an die Psychodramen erinnert werden, diees in jedem Leben gibt.» Nur mit dem Nachwuchs gebe esSchwierigkeiten: «Heute braucht man Stars auf der Bühne, und die gibtes immer weniger.»
Wird er sich jemals in ein «Rentnerdasein» zurückziehen? «Das kannich mir nicht vorstellen», sagt der in vierter Ehe glücklichverheiratete Spier. «Ich höre in dem Moment auf, in dem ich merke,dass das Publikum anfängt, Mitleid mit mir zu bekommen - weil ichnicht mehr richtig gehen kann oder den Text nicht mehr behalte. Dasist bei mir aber ein Glück alles noch in weiter Ferne - toi, toi,toi!»