Wolfgang Herrndorf Wolfgang Herrndorf: "Tschick"-Autor mit 48 Jahren gestorben

Halle/MZ - Es hat sich inzwischen herumgesprochen: Wolfgang Herrndorfs Roman „Tschick“ ist eines der lässigsten und unterhaltsamsten Gegenwartsbücher mindestens der vergangenen drei Jahrzehnte. Also seit Ulrich Plenzdorf 1972 seine geniale Erzählung „Die neuen Leiden des jungen W.“ vorlegte, die Geschichte des 17-jährigen Ostberliner Aussteigers Edgar Wibeau.
Aussteiger sind auch „Tschick“, der russlanddeutsche Schüler Andrej Tschichatschow, und dessen deutscher Freund Maik Klingenberg. Zwei ostdeutsche, knapp 15-jährige Jungen, die sich mit einem gestohlenen Auto den Sommer ihres Lebens holen - buchstäblich querfeldein durch die brandenburgische Steppe. Es ist ein rasantes Roadmovie, das Herrndorf entfaltet. Kitschfrei, realistisch, voll von Humor. Und angenehmer Nachdenklichkeit. So lässt Herrndorf seinen Erzähler Maik gegen Ende sprechen: „Die Welt ist schlecht, und der Mensch ist auch schlecht. Trau keinem, geh nicht mit Fremden und so weiter. Das hatten mir meine Eltern erzählt, das hatten mir meine Lehrer erzählt, und das Fernsehen erzählte es auch. Wenn man Nachrichten guckte: Der Mensch ist schlecht. Wenn man Spiegel TV guckte: Der Mensch ist schlecht. Und vielleicht stimmte das ja auch, und der Mensch war zu 99 Prozent schlecht. Aber das Seltsame war, dass Tschick und ich auf unserer Reise fast ausschließlich dem einen Prozent begegneten, das nicht schlecht war.“
In der Regie von Ronny Jakubaschk hatte „Tschick“ 2012 am Neuen Theater in Halle Premiere - mit großen Zuspruch. Zu diesem Zeitpunkt lebte der Wahlberliner Wolfgang Herrndorf bereits in Erwartung seines Todes. Der gebürtige Hamburger vom Jahrgang 1965, der als Grafiker für das Satiremagazin „Titanic“ arbeitete, bevor er zu schreiben begann, litt an einem bösartigen Hirntumor. Den Preis der Leipziger Buchmesse für seinen Roman „Der Sand“ hatte er nicht mehr entgegennehmen können. Gestern ist Wolfgang Herrndorf im Alter von 48 Jahren gestorben, teilte der Rowohlt Verlag mit. Die Autorin Kathrin Passig erklärte über Twitter, Herrndorf sei nicht an Krebs gestorben, sondern habe sich in den späten Abendstunden am Ufer des Hohenzollernkanals erschossen. Die Polizei wollte dies nicht bestätigen.