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Wolfgang Amadeus Mozart Wolfgang Amadeus Mozart: Originalnoten des «Götterlieblings» unter Verschluss

Von Esteban Engel 23.01.2006, 08:59
Das erste Blatt eines Fakimiles der Originalpartitur von Mozarts «Zauberflöte» im Fundus der Staatsbibliothek in Berlin. (Foto: dpa)
Das erste Blatt eines Fakimiles der Originalpartitur von Mozarts «Zauberflöte» im Fundus der Staatsbibliothek in Berlin. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Es waren keine guten Nachrichten, die Mozart da ausBerlin vermeldete. «Mein liebes Weibchen», schrieb der Komponist imMai 1789 an Ehefrau Constanze, «Du must Dich bey meiner Rückkunftschon mehr auf mich freuen, als auf mein Gelde». Mit ein paarKompositionsaufträgen in der Tasche, doch ohne Aussicht auf einefeste Anstellung am preußischen Hofe, reiste Mozart (1756-1791) ausBerlin wieder ab. Und trotzdem - an der Spree ist Mozart, dessen 250.Geburtstag am 27. Januar bevorsteht, wie in kaum einer anderen Stadtpräsent. Die Staatsbibliothek zu Berlin besitzt die größte Sammlungseiner Originalnoten - rund 300 der geschätzten 550 Mozart-Autographen, die weltweit in öffentlicher Hand sind.

Im Tresor der Musikabteilung, hinter dicken Mauern amLindenboulevard, wo auch die Originale von Beethovens Fünfter undNeunter sowie 80 Prozent der Werkautographen Johann Sebastian Bachsaufbewahrt werden, ist das Schaffen des Salzburger Genies mit Händenzu greifen - allerdings nur in Spezialhandschuhen. Helmut Hell,Leiter der Musikabteilung und Wächter über den Notenschatz, berührtnur leicht das Papier, «sehr solide, ohne Tintenfraß», beschreibt erdie Seiten und gerät über die «sehr disziplinierte, sehr eleganteArbeit» Mozarts ins Schwärmen.

Völlig unspektakulär, bei 18 Grad Celsius und 50 ProzentLufttemperatur, werden die Originale in Stahlschränken aufbewahrt,darunter sechs von Mozarts wichtigsten Bühnenwerken. Dazu zählenTeile der «Entführung aus dem Serail» und von «Cosi fan tutte» sowiedie komplette «Zauberflöte». Auch Orchesterkompositionen wie die«Jupitersinfonie» und die «Haffnersinfonie», Messen, Kammermusik,Arien und Briefe gehören zu den «Kronjuwelen» der Staatsbibliothek.

Nur ausgewiesene Fachleute dürfen im Lesesaal neben dem Schutzraumdie Werke einsehen. Und nur ausnahmsweise, wie im Mozart-Jahr 2006werden die Noten ausgeliehen. Auf der großen Mozart-Ausstellung inder Wiener Albertina (16. März - 20. September) werden mehrereBerliner Autographe präsentiert, darunter die Oper «La FintaSémplice». «Schätze, wie Mozarts Noten, machen deutlich, welcheSchätze aus dem Weltkulturerbe die Staatsbibliothek hütet», sagtGeneraldirektorin Barbara Schneider-Kempf. Ein Teil der Mozart-Werke,die Opern ab «Idomeneo» (1781), wird zur Zeit digitalisiert und sollüber das Internet einsehbar sein.

Ein Blick auf die erste Seite der «Zauberflöte» scheint jenenTrivialmythos zu bestätigen, wonach dem «Götterliebling» die Musikgleichsam zuflog und er sie nur auf Papier bringen brauchte. «Nun mußich schließen, denn ich muß hals über kopf schreiben - komponiert istschon alles - aber geschrieben noch nicht», bemerkt Mozart am 30.Dezember 1780 in einem Brief an seinen Vater. Tatsächlich reihtMozart wie gestochen die Noten aneinander, fast ohne Korrekturen,sauber geschrieben - Kunst aus einem Guss.

Erst die Forschung zeigte am Beispiel der unterschiedlichenTintenfarben, wie Mozart zunächst die «Gerüststimmen» Bass undMelodie oder die Singstimme notierte, um danach die «Füllstimmen»einzutragen. Gelegentlich, so zeigt Hell am Beispiel der«Jupitersinfonie«, wischte Mozart mit dem Finger über die feuchteTinte und schrieb die Korrektur darauf.

Es war eine lange Reise, bis die Mozart-Noten Berlin erreichten.Nach dem Tod des Komponisten 1791 versuchte die Witwe Constanze dieHandschriften ihres Mannes zu verkaufen. Der Offenbacher VerlegerJohann Anton André übernahm den Nachlass, den er 1840 der KöniglichenBibliothek in Berlin verkaufen wollte. Die Bibliothek lehnte ab - zuteuer. Nach Andrés Tod meldeten sich die Enkel 1872 wieder in Berlin.Für nur 12 000 Taler übernahm die Bibliothek Autographe zu 140Werken. Dazu kam später die «Figaro»-Partitur aus dem Nachlass desVerlegers Simrock, die «Entführung» schenkte der Bankier Ernst vonMendelssohn-Bartholdy.

Im Zweiten Weltkrieg wurde auch die Musiksammlung zum Schutz vorBombenabgriffen an 30 Orte ausgelagert - in Klöster, Schlösser undstillgelegte Bergwerke. Während nach und nach die Bestände aus Ostund West nach Berlin zurückkehrten, fehlen bis heute noch jeneAutographen, die im schlesischen Benediktinerkloster Grüssau lagen.Sie werden bis heute in der Krakauer Universitätsbibliothekaufbewahrt.

Allerdings hat Polen in der Vergangenheit Zeichen des gutenWillens gesetzt: Im Mai 1977 erhielt die Bibliothek neben BeethovensNeunter und zwei Bach-Werken auch die «Zauberflöte», Mozarts C-Moll-Messe und die «Jupitersinfonie» zurück. Doch 100 Stücke allein ausdem Mozart-Bestand lagern noch in der Krakau. Noch immer geht durchdie große Berliner Mozart-Sammlung ein Riss.