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Witzige Witwe Witzige Witwe: Wie Torsten Rohde alias Renate Bergmann die Welt erklärt

Von andreas montag 27.07.2016, 06:52
Torsten Rohde alias Renate Bergmann
Torsten Rohde alias Renate Bergmann Thorsten Wulff

Halle (Saale) - Im Sommer wird das Attribut „leicht“ viel gebraucht: Leichte Kleidung, leichte Kost - und leichte Lektüre. Wer im Strandkorb (oder bei Starkregen auf dem heimischen Sofa) sitzt, will gern mal ein Stündchen unterhalten werden. Wenn im Falle der Lektüre „leicht“ dann kein Synonym für „flach“ ist, wird es dem Wohlgefühl des Lesenden gewiss nicht abträglich sein. Sollte er zu den unverblümten Be- und Erkenntnissen der fiktiven „Online-Omi“ Renate Bergmann gegriffen haben, dürfte genau dieser Effekt eintreten.

Hinter Renate Bergmann verbirgt sich der internetaffine Torsten Rohde, Jahrgang 1974, aus Brandenburg an der Havel. Dorther stammt auch der große Vicco von Bülow alias Loriot - es scheint eine humorträchtige Stadt zu sein, auch wenn sie einem seinerzeit, als NVA-Grundwehrdienstler im Stadtteil Hohenstücken, gar nicht so heiter vorgekommen ist.

Renate Bergmann aber, die durch frühere Veröffentlichungen schon viele Freunde gefunden hat, ist wirklich köstlich. Allerdings lebt sie nicht in Brandenburg, sondern in Berlin. Sie war Trümmerfrau, Reichsbahnerin, pflegt die Gräber ihrer Gatten auf vier verschiedenen Friedhöfen, ist inzwischen 82 Jahre alt und hat das, was man nicht kaufen, aber lieben kann: Mutterwitz.

Das Schöne an dieser Kunstfigur ist, dass sie mit Selbstironie gedacht ist und man sich zu keiner Zeit genötigt fühlt, ihren handfesten, zuweilen bizarren Lebensansichten beizupflichten. Manchmal aber wird man das mit Freude tun. Sie habe viel Glück gehabt, schreibt die rüstige Dame, „vier Ehemänner habe ich überlebt, die Hüftoperation letzten Sommer und sogar den ,Musikantenstadl‘“.

Was hat Renate zu berichten? Den alltäglichen Wahnsinn vor allem. Etwa, wenn ihre Tochter Kirsten zu Besuch kommt, die schon mal ein Auge auf das zu erwartende Erbe werfen will und außerdem Veganerin ist, die mit einem „Smufiemacher“, einer Küchenmaschine, anreist: „Erst zerrührte Kirsten reifes Obst und Gemüse jeglicher Art zu Pamps damit, und dann füllte sie mit Apfelsaft auf, bis alles halbwegs flüssig war. Natürlich Bio-Apfelsaft. Der sieht aus wie Morgenurin, wussten Sie das?“

Natürlich hat Kirsten die Rechnung ohne ihre Mutter gemacht. Die packt neben Früchten auch ihre selbstgemachten Rouladen in den Mixer, das Kind schlürft den Saft mit Behagen.

Überhaupt lässt sich Renate Bergmann die Butter nicht vom Brot nehmen und kommt, ganz ohne ihr Zutun, aber verdient, auch noch zu einem kleinen Vermögen. Wenn es sie nicht schon gäbe - sie müsste glatt erfunden werden.

Renate Bergmann: „Wer erbt, muss auch gießen“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek, 203 Seiten, 9,99 Euro. (mz)