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Wissenschaft Wissenschaft: Computerforscher Joseph Weizenbaum in Berlin gestorben

06.03.2008, 19:32

Berlin/dpa. - Der amerikanisch-deutsche Computerforscher JosephWeizenbaum ist tot. Das berichtete der Sender Deutschlandradio Kulturam Donnerstag. Der 85 Jahre alte Wissenschaftler starb am Mittwochnach schwerer Krankheit in Berlin, wie seine Familie der DeutschenPresse-Agentur dpa bestätigte. Weizenbaum war einer der weltweitbekanntesten Kritiker eines bedenkenlosen Computereinsatzes. Erwarnte vor einem blinden Fortschrittsglauben und sagte über sichselbst einmal: «Ich bin kein Computerkritiker. Computer können mitKritik nichts anfangen. Nein, ich bin Gesellschaftskritiker.»

Seit den 1970er Jahren trat Weizenbaum zunehmend als Gegner einerkritiklosen Zukunftsgläubigkeit auf. So nannte er das Internet einen«Schrotthaufen», der den Menschen zur Selbstüberschätzung verführe.Das Datennetz enthalte viele überflüssige, bruchstückhafte oder garfalsche Informationen, warnte Weizenbaum. «Es ist ein Misthaufen. 90Prozent sind Schrott, es finden sich aber auch ein paar Perlen undGoldgruben.»

Der naive Umgang mit Computern könne zu dem Trugschluss führen,diese seien imstande, alle Fragen zu beantworten. «Etwas aber in eineSuchmaschine einzugeben und das Ergebnis auszudrucken, das ist dasGegenteil von Bildung.» Das Internet sei dem Fernsehen sehr ähnlichgeworden. Die Proportionen von sinnvollen, interessanten Sendungenund der riesigen Menge blanken Unsinns seien in beiden Medienvergleichbar.

Weizenbaum war jedoch zugleich ein in der Öffentlichkeit vielbeachteter Pionier der Computertechnik. Er baute Hardware und schriebauch die Programme zu deren Steuerung. Berühmt wurde Weizenbaumbesonders mit einem Programm namens ELIZA, das den Anschein erweckte,es könne mit dem Menschen kommunizieren. Als Psychologen meinten,einen Teil von psychologischer Beratung auf diese Weiseautomatisieren zu können, wurde Weizenbaum aufmerksam auf die teilsüberzogenen Erwartungen an die Künstliche Intelligenz.

Er schrieb dazu mehrere Bücher, darunter bereits 1976 seinHauptwerk «Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft»sowie später «Wer erfindet die Computermythen? Der Fortschritt in dengroßen Irrtum» und «Wo sind sie, die Inseln der Vernunft imCyberstrom? Auswege aus der programmierten Gesellschaft». Zudem hielter zahlreiche Vorträge und bekam viele Auszeichnungen. Er warnte voreiner wachsenden Unübersichtlichkeit immer stärker vernetzterComputersysteme.

Der am 8. Januar 1923 in Berlin geborene Weizenbaum war 1935 mitseiner jüdischen Familie nach Erlass der Rassengesetze durch die NS-Diktatur in die USA geflohen. Bereits während seinesMathematikstudiums beschäftigte sich Weizenbaum mit dem Bau einesdigitalen Computers. Dieses Arbeitsgebiet sollte er dann inverschiedenen Facetten mitgestalten. Später arbeitete in derIndustrie und wurde 1963 ans berühmte Massachusetts Institute ofTechnology (MIT) in Cambridge berufen. Von 1970 bis zu seinerEmeritierung 1988 lehrte und forschte er dort als Professor fürComputer Science. Seit 1996 lebte Weizenbaum wieder in Berlin.