"Wir sind jung. Wir sind stark." "Wir sind jung. Wir sind stark.": Kinofilm zu Krawallen in Rostock wurde in Halle gedreht

Halle (Saale) - Was für eine gespenstische Szene hat sich da im Frühjahr 2013 im Süden Halles abgespielt: Eine johlende Menge, mehr als 500?Menschen, die völlig aus der Mode gekommene Frisuren und Schneejeans tragen, ein Trabant brennt, eine Polizeikette versucht, meistens jedenfalls, die verängstigten Vietnamesen im Asylbewerberheim zu schützen. Die Menge ruft: „Ausländer raus!“ Und sogar: „Wir sind das Volk!“
Natürlich war die Szene gestellt, der Knall der Explosionen stammte von Feuerwerkskörpern, die Molotow-Cocktails waren Pyrotechnik. Damals hat Regisseur Burhan Qurbani in Halle an mehr als 30 Orten einen Spielfilm über die ausländerfeindlichen Ausschreitungen gedreht, die es 1992 am Asylbewerberheim Rostock-Lichtenhagen gegeben hat. Drei Tage hatten damals 3000 Menschen das Haus belagert. Auf dem dramatischen Höhepunkt drangen in der Nacht einige Angreifer in das Gebäude ein. Brandsätze flogen. Die Polizei hatte das Feld geräumt. Die Bilder vom „Sonnenblumen-Haus“ - der Name stammt von der Blume an der Fassade - gingen um die Welt.
Der Kinofilm spielt am 24. August 1992, vom Morgen bis zum Morgen danach, aus ganz verschiedenen Perspektiven. Saskia Rosendahl, die 1993 in Halle geboren wurde, und Jonas Nay, selbst Rostocker, spielen zwei orientierungslose Jugendliche, die in jener Nacht der Gewalt verfallen. Noch vor dem deutschlandweiten Kinostart Donnerstag wird der Film „Wir sind jung. Wir sind stark“ am Mittwochabend im halleschen Luchs-Kino gezeigt. Zu der Vorführung kommt auch der 34-jährige Regisseur, ebenso Darsteller und Produzenten.
Jochen Laube, einem der beiden Produzenten, sind die Dreharbeiten noch gegenwärtig, gerade die turbulenten Nachtszenen am „Sonnenblumen-Haus“. „Du kennst die Originalbilder aus dem Fernsehen, die um die Welt gegangen sind, und machst einen Plan, wie das alles verfilmt werden soll. Und dann entstehen diese Szenen tatsächlich: Und man merkt sogar bei den Dreharbeiten, welchen Sog Gewalt ausübt - ich hatte Gänsehaut.“
Auf der nächsten Seite: Kurz vor Drehbeginn sorgt "Spiegel"-Artikel über das "rechtsradikale" Halle für Debatte, das Filmteam wehrt sich gegen Vorwürfe den Eindruck Halles noch zu bestärken.
Mehr als 20 Jahre nach der „Nacht der Schande“, die wohl den Höhepunkt der ausländerfeindlichen Stimmung Anfang der 1990er Jahre vor allem in Ostdeutschland markiert, hat Halle die Kulisse für die Verfilmung geboten. Das war nicht selbstverständlich. Denn eine Werbung ist es nicht gerade, 2013 noch über die geeigneten Kulissen zu verfügen.
Kurz vor den Dreharbeiten hatte es in der Stadt zudem eine heftige Debatte um einen „Spiegel“-Artikel gegeben, in dem Halle als Hochburg des Rechtsradikalismus bezeichnet wurde. Wird mit dem Film die Stadt nun erneut in die Nähe des Rechtsradikalismus gerückt? Das weist der Regisseur Burhan Qurbani von sich. „Wir widersprechen mit unserer Arbeit, die uns Halle ermöglicht hat, doch gerade diesem Bild.“ Auch Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) befürchtet durch den Film keinen Imageschaden für die Stadt. „Für uns ist wichtig, als Medienstandort wahrgenommen zu werden. Deshalb unterstützen wir alle Filmprojekte ganz ausdrücklich. Halle ist eine Stadt, die Kultur und Kreative unterstützt“, sagt der Oberbürgermeister. Eine gute Zusammenarbeit mit der Stadt bestätigt auch Produzent Laube. „Es war ungewöhnlich, wie gut das Projekt von der Kommune unterstützt wurde.“
Dass ausgerechnet Halle zum Drehort dieser Zwei-Millionen-Euro-Produktion wird, hat nicht nur mit den 350.000 Euro von der Mitteldeutschen Medienförderung zu tun, sondern auch mit dem passenden Gebäude. „Der Elfgeschosser in Halle war das einzige passende, noch unsanierte Haus zwischen Rostock und Thüringen“, erklärt Laubner. Nach den Dreharbeiten wurde der Elfgeschosser samt des Garagenkomplexes, der im Film zu sehen ist, allerdings abgerissen.
Der Film erzählt, wie eine Gesellschaft moralisch gegen die Wand fährt, sagt Regisseur Burhan Qurbani. Er zeigt auch, wie Jugendliche, die zwar jung, aber eben nicht stark sind, sich radikalisieren können. Natürlich hat der Film derzeit gerade mit den islamfeindlichen Pegida-Demonstrationen eine besondere Aktualität erlangt. „Das Krasse ist doch, dass die Pegida-Leute sagen: ’Wir sind das Volk’. Das haben die Leute in Rostock-Lichtenhagen auch gerufen. Ursprünglich war das der Slogan der Bürgerrechtsbewegung der DDR, eines Volkes, das sich befreien wollte“, sagte Regisseur Qurbani zuletzt in der Süddeutschen Zeitung. (mz)

