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Werksausgabe Werksausgabe: Rostock entdeckt Uwe Johnson

Von AXEL BÜSSEM 26.02.2010, 19:39

ROSTOCK/DDP. - Bereits jetzt wird Johnsons Schaffen in seiner alten Heimat vielfach gewürdigt, etwa mit den Johnson-Tagen in Neubrandenburg und dem Johnson-Haus in Klütz. Gestern wurde an der Universität in Rostock die Uwe-Johnson-Gesellschaft gegründet, die zum internationalen Forschungszentrum zu Johnsons Werken werden will.

"Der Zeitpunkt für die Gründung der Gesellschaft ist günstig", sagt Helbig, der an der Universität Rostock die Johnson-Stiftungsprofessur innehat. "Es leben noch viele Menschen, die die Zeit, über die Johnson schreibt, miterlebt haben. Auf der anderen Seite wächst eine junge Generation nach, die die deutsche Teilung nicht mehr erlebt hat, sich aber für diese Zeit interessiert. Johnson bringt diese Generationen zusammen", sagt Helbig, der mit anderen Literaturwissenschaftlern, mit Studenten, Vertretern von Stadt und Universität und anderen Freunden Johnsons die Gesellschaft gründet.

Die Fangemeinde des Autors sei groß, obwohl seine Werke schwer zu lesen seien, sagt Gundula Engelhard, Geschäftsführerin der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft. Aber das habe er wohl auch so beabsichtigt. "Johnson wollte seine Leser nicht unterfordern, sondern ihnen einen Anstoß geben, ihre Weltsicht zu prüfen." Er habe dem Mecklenburger mit seiner Arbeit gar ein literarisches Denkmal gesetzt, findet Engelhard: "Ein wenig starrköpfig und bedächtig, aber auch mit Hang zum Karikieren und zum Schabernack."

Die Gesellschaft richtet jährlich in Neubrandenburg die Uwe-Johnson-Tage aus, an denen sich junge Autoren mit Johnson auseinandersetzen. "Die Komplexität Johnsons bietet bis heute dem Nachwuchs eine Herausforderung ans eigene Schreiben", sagt Engelhard.

Zentrales Thema bei Johnson sei die noch immer aktuelle Teilung in Ost und West als Folge der deutschen Verbrechen, sagt Literaturwissenschaftler Helbig. Besonders deutlich werde das in dem vierbändigen Werk "Jahrestage", das im Rahmen einer Familiengeschichte alle neuralgischen Geschichtsdaten zwischen 1880 und 1968 umfasse. Angesichts dieser Bedeutung verwundert nicht, dass die Johnson-Gesellschaft schon vor ihrer Gründung international auf Interesse gestoßen ist. Besonders ein zentrales Vorhaben sorgt für Aufmerksamkeit: "Wir planen eine auf 30 Bände angelegte Werkausgabe Johnsons", kündigt Helbig an. Man sei bereits mit dem Suhrkamp Verlag und dem Deutschen Literaturarchiv im Gespräch. Denkbar sei ein Erscheinungsrhythmus von zwei Bänden pro Jahr, sobald die Vorarbeit abgeschlossen sei. "Damit würden wir weltweit zur Anlaufstelle für Germanisten, die sich mit Johnson befassen", glaubt Helbig. "Der Universität Rostock wäre ein solches literarisches Forschungszentrum von internationaler Bedeutung sehr willkommen."