Werkauswahl Werkauswahl: Aus Thüringen ins Gedicht
Halle/MZ. - Harald Gerlachs Werk imponiert durch seine Vielfalt. Er war ein großartiger Lyriker und wichtiger Erzähler, der auch als Essayist und Librettist reüssierte. Das letzte große Feld, das er beackerte, war der Radio-Essay und das Feature. In den neunziger Jahren verfasste Gerlach etwa achtzig Sendungen für den Rundfunk. Eine Brotarbeit, die er mochte, die aber auch unverzichtbar war, da auch er mit Romanen und Gedichten kaum Geld verdienen konnte.
Anlässlich von Gerlachs 70. Geburtstag hat seine Witwe Bettina Olbrich nun eine Auswahl mit Kurzprosa, Essays und Gedichten unter dem Titel "So ist alles gesagt" vorgelegt. In der Dichtung ist bekanntlich nie alles gesagt und wir bedauern deshalb, dass Harald Gerlach auf Erden nicht mehr Zeit gegeben war, all seine literarischen Vorhaben realisieren zu können.
Zusammengewürfelter Landstrich
Wie für Siegfried Pitschmann, so war auch für Harald Gerlach die erste prägende Erfahrung der Verlust der Heimat. Mit seiner Familie flüchtete der 1940 in Bunzlau (Niederschlesien) geborene Gerlach 1945 nach Thüringen. Diese Landschaft war eines seiner großen Themen. Das spiegelt sich natürlich auch in der von Bettina Olbrich vorgenommenen Auswahl wider. In vielen Gedichten hat er seine thüringische Landschaft besungen. "Ach, Thuringia, mein zusammen- / gewürfelter Landstrich in wechselnder / Weite", heißt es im Gedicht "Gejaide".
Über zahlreiche, hier nicht skizzierbare Umwege fand Harald Gerlach, der wie seine Roman-Figuren etwas Unstetes hatte, zum Dasein eines freien Autors. Eine wichtige Schule war für ihn das Theater. In Erfurt brachte er es, beachtlich genug, vom Hof- und Bühnenarbeiter bis zum Bühnenmeister. Auch Dramen aus der Feder Harald Gerlachs kamen am Erfurter Haus zur Aufführung. Nicht immer zur Freude der SED-Politbürokratie im damaligen Bezirk.
Ingo Schulze konnte für ein Vorwort gewonnen werden. In diesem betont er, dass er Harald Gerlach zwar lange schon als Lyriker schätzt, den Essayisten und Erzähler aber erst mit dem vorliegenden Band entdeckt habe. Schulzes Prolog ist gleichsam eine späte Verneigung vor einem bedeutenden, aber fast vergessenen Autor aus seiner literarischen Väter-Generation.
Es wäre eine Überlegung wert gewesen, Prosa und Lyrik hier nicht zu vermischen, sondern nach Gattungen zu trennen. Man hätte auch gut daran getan, die Texte chronologisch zu ordnen, um Harald Gerlachs stilistische Entwicklung klarer zu konturieren. Das Copyright-Verzeichnis ist unvollständig. Denn es sind in dem Band auch Texte vertreten aus dem in der Reihe "Thüringen-Bibliothek" erschienenen Buch "Fortgesetzte Landnahme". Darauf wird nicht hingewiesen. Dass unter dem Titel "Gelassener Schritt am Rande des Abgrunds" (2006) in der von der Literarischen Gesellschaft Thüringen getragenen "Edition Muschelkalk" posthum ein streitbarer Goethe-Essay veröffentlicht wurde, wird nicht mitgeteilt, obwohl die anderen nach Harald Gerlachs Tod erschienenen Bücher sehr wohl erwähnt werden. Dieses Desiderat hätte man vermeiden können, wenn im Anhang eine Bibliographie aufgenommen worden wäre.
Das Werk im Blick
Leider wird auch an keiner Stelle an das Kolloquium erinnert, das die Literarische Gesellschaft Thüringen 2005 zum 65. Geburtstag des Schriftstellers veranstaltete und dessen Referate zusammen mit zum Teil unveröffentlichten Gedichten und Essays des Autors in dem Konferenzband "Harald Gerlach - Dichter und Theatermann" (2007) erschienen sind. Es war die erste und wohl für lange Zeit letzte umfassende wissenschaftliche Beschäftigung mit dem so facettenreichen Werk des 2001 in Leimen gestorbenen Autors. Der Band "So ist alles gesagt" mit seinen 160 Seiten gibt einen notwendig ausschnitthaften, aber dennoch guten Überblick über das erzählerische und lyrische Werk des Dichters. Hier hat Bettina Olbrich ganze Arbeit geleistet, um aus der Fülle das Repräsentative auszuwählen.