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Wem gehören die Hits? Wem gehören die Hits? Musiker der Puhdys streiten 49 Jahre nach Gründung der Band

Von Birgit Walter 06.09.2018, 18:00
Die Abschiedstour der Puhdys.
Die Abschiedstour der Puhdys. imago stock&people

Berlin - Vom Morgen bis zum späten Nachmittag überlegt Dieter „Maschine“ Birr, ob er der Berliner Zeitung ein Interview geben soll. Er hat Handwerker im Haus, der Manager ist verreist und auch seine Frau weiß nicht genau, ob er zu dem Streit der Puhdys Stellung beziehen soll. Gerade ploppte dieser groß in Boulevardmedien auf. Nun stehen die Puhdys, auf die der Begriff Kultband ausnahmsweise passt und die unter ihren 350 Songs unsterbliche Klassiker haben, plötzlich zerrissen da, sprachlos und verletzlich. Zum ersten Mal seit der Gründung vor 49 Jahren. Keiner der Puhdys äußert sich, aber Anwälte sind in Stellung gebracht. Es geht um die Urheberschaft an Titeln der Puhdys, um Tantiemen, also um Geld.

Birr taucht nur selten allein als Komponist auf

Maschine hätte am liebsten alles erzählt, seine Sicht auf die Dinge aufgeblättert und die offenbar empfindliche Störung seines Gerechtigkeitsempfindens dargestellt – doch er ließ es sein. Denn er will auf jeden Fall eine peinliche Medienschlacht vermeiden. Immerhin muss ja einer seiner Bandkollegen schon anonym die Presse informiert haben. Dieter Birr will niemanden ermuntern, die Dinge weiter öffentlich zu verhandeln. Die Puhdys sollen ihre internen Differenzen gefälligst intern behandeln und dann einem gütlichen Arrangement zustimmen. Nächste Woche läuft dazu eine Frist ab.

Der Streit ist nun in der Welt, also worum geht es? Dieter Birr, 74, war in der öffentlichen Wahrnehmung immer der Kopf der Band, ihr Gitarrist, Sänger und unwidersprochen auch Motor und Komponist. Wenn es jetzt um die Urheberschaft der Titel geht und man sich dazu die Credits auf den Plattencover ansieht, taucht Birr aber nur selten allein als Komponist auf, wie etwa für „Türen öffnen sich zur Stadt“. Bei den großen Hits dagegen – „Alt wie ein Baum“ oder „Lebenszeit“ – steht für die Komposition: Puhdys. Oder: Dieter Birr und Peter Meyer.

Wer von den Puhdys hat recht?

Da nistet der Streit. Folgt man bisherigen Veröffentlichungen und einem intimen Kenner aus dem Verlag, so beansprucht Dieter Birr nun plötzlich, nach 49 Jahren, für die allermeisten Titel die Urheberschaft der Komposition allein. Nicht rückwirkend, aber für die Zukunft.

Ja Donnerwetter, das ist tatsächlich ein seltsamer Vorgang. Aus gutem Grund verwenden Plattenfirmen große Sorgfalt auf die Credits der Urheber, weil es da um Geld geht oder auch nur um Ruhm und sensible Hoheiten. Wie viele Jahre haben John Lennons Witwe und Paul McCartney nur darum gekämpft, welcher der beiden Beatles der Erstgenannte sein darf als Composer? Eine Urheberschaft lässt sich nicht willkürlich ändern, nur einvernehmlich oder gerichtlich.

Also, wer von den Puhdys hat recht? Man darf sich schon fragen, wie so eine Gemeinschaftskomposition von vier oder fünf Musikern praktisch ausgesehen haben soll. Etliche Bands hatten solche Phasen, auch die Sillys gaben anfangs „Silly“ als Autor an, besannen sich aber fix. Dass vier oder fünf Puhdys je ähnliche Anteile an einer Komposition – und gemeint ist nicht das Arrangement – eingebracht haben wollen, ist gar nicht vorstellbar. Mancher dürfte ganz unbeteiligt gewesen sein. Der langjährige Bassist Harry Jeske etwa wurde für seine unternehmerischen Qualitäten geschätzt, weniger für seine künstlerischen. Ewig kursierte der Witz, er werde in Livekonzerten hinter der Bühne gedoubelt. Dem widersprach Dieter Birr manchmal in öffentlicher Runde: „Nein nein, die Töne hat wirklich Harry gespielt. Nur für die Platten habe ich das gemacht, das ging einfach schneller, da musste man nicht so viel zeigen.“

25.000 Euro im Jahr

Das sagt schon einiges über die Puhdys als Komponisten. Also vorstellbar ist durchaus, dass die Musiker höchst unterschiedliche Aufgaben in der Band wahrnahmen, sich aber als Gemeinschaft fühlten, den Songs kollektiv Feinschliff gaben. Auch Aufgaben in Organisation und Management gehörten schließlich zum Band-Erfolg.

Aber künstlerische Kreativität hat einen anderen Stellenwert. Manche Komponisten oder Texter können allein von Ausschüttungen der Urheberrechtsgesellschaft Gema leben. Die Puhdys nicht, zwei Jahre nach dem Bühnenabschied. Sie haben keine neuen Platten, an Downloads und Streaming ist ohnehin nichts zu verdienen, die Tantiemen für Titel in Funk und Fernsehen stellen sich eher übersichtlich dar. Der Verlags-Insider spricht von geschätzten 25.000 Euro im Jahr.

Unbekümmerte Erfolgsrocker

Das ist das eigentlich Erschütternde an dem Streit, dass es bei einer Band, die 22 Millionen Alben verkauft hat, nun um so kleine Beträge geht. Darum, ob man die künftig durch vier teilt oder nicht. Dafür riskieren die Puhdys ihren Ruf als legendäre Rockrentner. Heute, wo sie das Image der DDR-Staatsband ablegen konnten, weil sie sich eben auch nachträglich nie als widerständige Helden inszenierten, sondern immer als unbekümmerte Erfolgsrocker, privilegiert und wohlhabend natürlich, aber verpflichtet allein den treuen Fans.

Wenn im Januar 2019 die Puhdys GbR aufgelöst wird, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wohin bislang die Tantiemen flossen, braucht die Gema neue Adressaten. Bei dieser Kontenklärung muss Dieter Birr der Gedanke gekommen sein, auch gleich noch eine Urheber-Klärung vorzunehmen. Mehr als um Geld dürfte es ihm allerdings um Anerkennung und Lebensleistung gehen. Der Mann mit dem Knautschgesicht war immer der schillerndste, der beliebteste Musiker der Puhdys. Man kann sich stille Rivalitäten gut vorstellen. Dass bei Peter Meyer, Dieter „Quaster“ Hertrampf und Klaus Scharfschwerdt keine Freude aufkommt, wenn ihnen und ihren Erben künftig Einnahmen fehlen. Dem Vernehmen nach wollen die drei, dass alles bleibt, wie es war. Die Begriffe „Beweis“ und „Zeuge“ stehen schon im Raum.

Man kann nur hoffen, dass die Puhdys ehrlich unter sich klären, wer welchen Titel schrieb und wie ihr künftiger Ruhm aussehen soll.

Maschine, der auch erfolgreiche Soloalben machte, glaubt fest an eine Einigung. Sonst würden Fragen aus dem nicht gewährten Interview bald vor Gericht verhandelt. Nicht schön. (mz)