1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Wer ist der Künstler?: Weide malt im Wind: Aber wer besitzt die Rechte an dem Kunstwerk?

Wer ist der Künstler? Weide malt im Wind: Aber wer besitzt die Rechte an dem Kunstwerk?

Von Steffen Könau 28.01.2018, 11:00
Das Foto hat der Abgebildete selbst gemacht. Urheber aber ist er nach einem Urteil aus Los Angeles nicht.
Das Foto hat der Abgebildete selbst gemacht. Urheber aber ist er nach einem Urteil aus Los Angeles nicht. Privat

München - Die Versuchsanordnung ist denkbar einfach. Eine Leinwand, flach auf den Boden gelegt. Ein paar Bindfäden, locker an einen Baum gebunden. Am unteren Ende zwei Stifte mit genau so viel Spiel, dass sie sich bewegen können, dabei aber meist im Kontakt mit dem Papier bleiben.

Was passiert, ist faszinierend: Der Wind bewegt die Zweige der Weide. Die Zweige bewegen die Fäden. Und die Fäden lassen die dicken schwarzen Marker Striche über das Papier ziehen.

Hier können Sie das Video dazu sehen: http://bit.ly/malerbaum.

Erst ein paar wenige, dünne. Dann bildet sich ein Muster. Der Wind weht nie ganz gleich, aber er weht auch nie ganz anders. Am Rand des Bildes, das dadurch entsteht, entwickelt sich ein dunkler Fleck, ein Schnittmusterbogen der Bewegungen der Weidenzweige.

Weiter unten dagegen bleibt das Bild leer, abgesehen von ein paar schmalen, dünnen Strichen. Eine Schneelandschaft unter einer dunklen Wolke.

Frage nach dem Urheberrecht

Wer aber hat sie gemalt? Wer ist Künstler? Und wer könnte, gesetzt den Fall, ein finanzkräftiger Bieter träte auf, den Kaufpreis für das ungewöhnliche Gemälde kassieren?

Eine Frage, die nicht ohne Beispiel ist, seit der bekannte Tierfotograf David Slater vor sieben Jahren auf die Idee kam, einem Schopfmakaken auf der indonesischen Insel Sulawesi seine Kamera zu überlassen.

„Als sie Vertrauen gefasst haben, interessierten sich einige der Affen für das Klicken der Kamera“, hatte Slater bemerkt. Also habe er das Gerät auf ein Stativ montiert und den Tieren die Kamera überlassen. „Sie spielten damit, bewegten sie und drehten die Knöpfe“, berichtet der Brite, der seit seinem 14. Lebensjahr Tiere überall auf der Welt fotografiert.

Berühmtes Selfie von Affe Naruto

Vor allem das Geräusch des Auslösers habe den Affen gefallen, „noch mehr aber liebten sie den Anblick ihrer eigenen Gesichter, wenn sie sie fotografiert hatten.“

Nach einer halben Stunde trennen sich die wilde Affenhorde und der Fotograf, der weiß, dass er die Bilder seines Lebens im Kasten hat. Ein Selfie eines Affen namens Naruto verbreitete sich denn auch wie ein Lauffeuer in den sozialen Netzwerken.

Ein riesiger Erfolg für den Fotografen und sein Anliegen, denn er habe nie auf Ruhm geschielt, sagt David Slater, sondern gehofft, die weltweite Aufmerksamkeit werde den bedrohten Tieren helfen.

Peta klagte im Namen des Affen

Diese Absicht verfolgt erklärtermaßen auch die Tierschutzorganisation Peta, 1980 gegründet und in jüngster Vergangenheit auch in Sachsen-Anhalt durch zahlreiche zum Teil drastische Protestaktionen im Namen von Zirkustieren und landwirtschaftlichem Nutzvieh aufgefallen.

David Slater bekam eine Klage von Peta: Die weltweit agierende Organisation gab vor, die Interessen von Naruto zu vertreten, dem die Urheberrechte an seinem Selfie und damit Einnahmen aus Spenden und Verkäufen zuständen.

Wer ist denn nun der Inhaber des Fotos?

Zuvor hatte ein US-Gericht entschieden, dass Slater nicht Inhaber dieser Rechte ist, Naruto es aber ebensowenig sein könne. Ein Glaubenskrieg, in dem es um die grundsätzliche Frage geht, welche Rechte nichtmenschliche Wesen nach menschlichem Maßstab haben können.

Kann ein Affe nicht nur technisch Urheber eines Fotos sein? Oder eine Kuh mit dem Schwanz ein Bild malen? Was ist mit Computerprogrammen wie der Web-App Deep-Art oder der Software Painting Fool, die ohne jeden Bezug auf eine vorgegebene Stilart zeichnen und Grafiken erstellen? Oder mit der Kompositionsmaschine Lamus, die selbstlernend Musik komponiert?

Weidenbaum als Inkarnation einer Gottheit

Für einen buddhistischen Mönch wäre die Antwort im Falle der Weidenbäume ganz klar. Weiden wird in der fernöstlichen Religion ein Bewusstsein ähnlich dem eines Menschen zugesprochen.

Weidenbäume, verehrt als Inkarnation der Göttin der Barmherzigkeit Kwan Yin, rollten ihre Blätter ein, wenn es dunkel werde. Das beweise, dass sie sehen könnten, auf ihre Umwelt reagierten und zielgerichtet handeln könnten, etwa, indem sie schlafen gingen.

Warum also nicht ein Bild malen? Weil dazu nach deutschem Recht ein wenig mehr gehört, wie Ansgar Ohly von der juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Uni in München weiß.

Das sagt ein Urheberrechts-Experte

„Das Urheberrecht verlangt eine persönliche geistige Schöpfung“, beschreibt der Experte für geistiges Eigentum. Da ein Baum keine Persönlichkeit sei, könne er auch nichts schöpfen.

„Urheber könnte der sein, der Naturkräfte so einsetzt, dass ein Werk dabei herauskommt“, erklärt Ohly. Allerdings müsse der Künstler dazu die wesentlichen Grundmuster des Werks schaffen - eine Voraussetzung, die beim Weidenbild wohl gegeben sei.

„Die Studenten hatten ja beim Arrangement von Leinwand und Stift eine recht genaue Vorstellung davon, was herauskommt.“ Dass die genaue Linienführung dann vom Wind abhänge, schade aus seiner Sicht nicht, sagt Ansgar Ohly. (mz)

Bitte nicht berühren: Die beiden Stifte sind mit Fäden an die Zweige einer Weide gebunden, deren Bewegungen im Wind malen das Bild.
Bitte nicht berühren: Die beiden Stifte sind mit Fäden an die Zweige einer Weide gebunden, deren Bewegungen im Wind malen das Bild.
Steffen Könau