Wartburg Wartburg: Luthers einsame Bibel-Übersetzung

Eisenach/dpa. - Kalt und einsam ist es auf der EisenacherWartburg Anfang des Jahres 1522. Reformator Martin Luther, belegt mitReichsacht und Kirchenbann, beginnt mit der Übersetzung des NeuenTestaments ins Deutsche. In nur zehn Wochen übersetzt er dasMammutwerk aus dem Griechischen und Lateinischen. Als er im März 1522die abseits gelegene Veste verlässt, hat er eine Meisterleistungvollbracht, die die deutsche Geschichte und die deutsche Sprachemaßgeblich beeinflussen soll. «Es war das Wort Gottes, das MartinLuther damit dem gemeinen Manne zugänglich machte», sagtDiplom-Historiker Hilmar Schwarz von der Wartburg-Stiftung. «Das Wortdes Klerus war gebrochen.»
Die Aufständischen des Bauernkrieges 1524/25 und andere Rebellenberiefen sich auf das Neue Testament. «Es löste eine Sprengkraft aus,die so von Luther nicht gewollt war», erzählt Schwarz. Langfristigist die Übersetzung Luthers die Grundlage der deutschenSchriftsprache.
Bereits vor Luther hatte es deutsche Bibeln gegeben. Von derErfindung des Buchdrucks Mitte des 15. Jahrhunderts bis zu LuthersÜbersetzung wurde die Heilige Schrift etwa 18 Mal in deutscherSprache gedruckt. Luthers Verdienst war es, dass er eine Bibelschreiben wollte und schrieb, die nicht nur die Thüringer und dieWittenberger verstehen, sondern die gleichermaßen in den Alpen, amRhein, in Schlesien oder an den Küsten gelesen werden konnte.Jahrhunderte später brachte es Johann Wolfgang von Goethe auf denPunkt. «Die Deutschen sind ein Volk erst durch Luther geworden.»
Die fast 950 Jahre alte Wartburg - seit 1999 Unesco-Weltkulturerbe- ist im Volk so eng mit Luther verbunden, dass sie in Anlehnung andas bekannte Kirchenlied auch als «Lutherburg» bezeichnet wird. Sieträgt als markantes Zeichen auf dem Turm ein goldenes Kreuz. DieStube in der Burgvogtei war für «Junker Jörg» von Mai 1521 für rundzehn Monate Wohn- und Arbeitsraum. Uunter diesem Namen lebte der vonRom angefeindete Luther zeitweise inkognito auf der Wartburg. Knapp364 000 Menschen seien allein im vergangenen Jahr zu Wartburg undLutherstube gepilgert, berichtet Stiftungssprecher Andreas Volkert.
Viele suchen nach dem berühmten Tintenfleck an der Wand -vergeblich: Der Legende nach hat Luther dort mit einem Tintenfassnach dem Teufel geworfen, um sich der ständigen Anfeindungen durchden Satan zu erwehren. «Über Jahrhunderte bis Ende des 19.Jahrhundert wurde der Fleck immer wieder nachgezeichnet», sagtHistoriker Schwarz. Nur eine Vertiefung im Putz zeugt heute noch vonder Stelle, wo das Tintenfass an der Wand zerplatzt sein soll. «DieBesucher haben dort immer wieder Putz abgekratzt.»
Luther war während der Wintermonate oft lange allein auf derWartburg gewesen. Seine Ängste vor dem Satan, begründet in derspätmittelalterlichen Religiosität, nahmen zu. Er selbst sprachspäter von Teufelserscheinungen und von einem Hund im Bett. Vieleswie etwa das knackende Fachwerk habe er sich wohl nicht erklärenkönnen, meint Schwarz, der sich seit mehr als 30 Jahren mit Lutherund dem Tintenfleck beschäftigt - erst sechs Jahre in Wittenberg,seit 25 Jahren auf der Wartburg.
«Von einem Tintenfasswurf berichtet Luther jedenfalls nicht.» DieLegende sei erst rund 150 Jahre nach «Junker Jörg» auf die Wartburggekommen. Entstanden sei sie wahrscheinlich in Wittenberg, wo zuerstder Teufel nach Luther ein Tintenfass geworfen haben soll. Danachwanderte sie an andere Luther-Orte, bis sie auf die Wartburg landete.«Legenden haben ihre eigene Geschichte. In ihnen mischt sich Wahrheitund Sage», erklärt der Historiker. «Sie schaden der Burg nicht,sondern tragen dazu bei, die Burg bekannter zu machen.» Die von denThüringer Landgrafen erbaute Wartburg kann mit einer Reihe von Sagenund Legenden aufwarten: Von der Gründung durch Ludwig, den Springer,über den Sängerkrieg bis zum Rosenwunder der Heiligen Elisabeth.
Auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 zeigt die Wartburg vom4. Mai bis zum 31. März 2013 erstmals seit fast 60 Jahren wieder«Luthers Bilderbiografie». Professoren der Weimarer Malerschulehatten die zwölf Leinwandbilder im Auftrag des Großherzogs um 1872gemalt. Die historisierenden Gemälde überstanden im Gegensatz zu dendrei Reformationszimmern den mutwilligen Zerstörungen im Jahr 1952.Zum 500. Jahrestag des Thesenanschlags an die Schlosskirche vonWittenberg wird die Wartburg 2017 eine der drei großen nationalenAusstellungen zeigen. Der Arbeitstitel: «Luther und die Deutschen».
Führungen Wintermonate: 09.00 bis 15.30 Uhr, Schließung Burgtor: 17.00 Uhr