Walter Bauer Walter Bauer: Vom Reisen und Bleiben
Halle/MZ. - Denn der Bruder kehrt heim, aber er ist eherein Untoter, ein Wiedergänger des Krieges,denn, so heißt es in Bauers Buch, "einigeseiner Toten gibt der Krieg zurück". Für denJüngeren ist jetzt jedoch kein Platz mehrin einem Haus, wo er selbst sich nur nochals ein abgelöster Doppelgänger sehen muss.Alles, was der jüngere Bruder von nun an aufder Reise beschwörend zu erleben vermeintund was dem Roman den Titel "Die notwendigeReise" gegeben hat, sind, ebenfalls nach einemKafka-Wort, eigentlich nur noch "geschriebeneKüsse", die von "Gespenstern getrunken" werden.
Samuel Beckett, der Bauers Roman 1937 in Berlinauf deutsch gelesen hatte, parallel zum Weltbestseller"Demian" von Hermann Hesse, hielt beide Bücher,wohl auch zu Recht, für "verspätete deutscheromantische Romane". Aber auch einmal saher seinen "Murphy", diesen existenziellenSesselhocker, voll im Recht dagegen. In sein"German Diary", aus dem wir erst jetzt durchdas Ereignis der Knowlson-Biografie etwaserfahren können, schrieb Beckett am 18. Januar1937 und dick unterstrichen Walter BauersBuchtitel konterkarierend: "Das notwendigeBleiben".
Als wenn nun ausgerechnet Bauer Beckett beherzigthätte, schrieb er 1947 im Vorwort einer Neuherausgabevon "Die notwendige Reise" im StuttgarterHans E. Günther & Co. Verlag: "Ich kenne dieSchwächen des Buches. Ich habe es als jungerMensch geschrieben, über den der Traum mehrMacht hatte als die Wirklichkeit." Dennoch:Mit dem Trauma seiner romanauslösenden Brieferzählung,die auch heute noch quasi biblisch frischin Mark und Bein fährt, hatte er schon einesder bis heute gültigen literarischen "Abenteuer"hinter sich, die er sich nun, 1947, auf seineArt und durchaus auch Beckett entsprechendvorgenommen hatte als "das Wagnis, das nachinnen gerichtet ist".
Walter Bauer ist immer ein ungeheuer geradliniger,aber gerade deswegen immer leicht zu unterschätzenderAutor gewesen. Dabei haben ihn Kollegen wieHermann Hesse, Stefan Zweig, Kurt Tucholsky,Franz Werfel oder nach dem Krieg etwa ErnstWiechert oder Karl Krolow überaus geschätzt.
Sie vermochten wohl an Bauer noch den seltenenFall eines Autors zu erkennen, dessen kargesund fintenloses Wort, wenn er auch gleichzeitignahezu ein Vielschreiber war, wie per Handschlaggegeben und gehalten wird und zugleich massenweisegeführtes Leben verbürgte.