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Wally Lamb über ein Leben nach dem Amoklauf

Von Katia Rathsfeld 15.06.2009, 15:15

Hamburg/dpa. - Zehn Jahre nach dem Amoklauf von Eric Harris und Dylan Klebold an der Columbine-Highschool im US-Bundesstaat Colorado ist ihre schreckliche Tat noch immer allgegenwärtig - nicht zuletzt, weil die Täter auch in Erfurt und Winnenden Nachahmer fanden.

Im April 1999 hatten die Jungen ihre Schule im US-amerikanischen Littleton gestürmt und ein Blutbad angerichtet: Zwölf Jugendliche und ein Lehrer starben.

In seinem Roman «Die Stunde, in der ich zu glauben begann» erzählt der amerikanische Autor Wally Lamb die fiktive Geschichte zweier Überlebender. Nur wenige Monate vor dem Massaker ziehen Maureen und Caelum Quirk nach einer heftigen Ehekrise von Connecticut nach Littleton, um ein neues Leben zu beginnen. Beide arbeiten an der Columbine-Highschool - er als Englischlehrer, sie als Krankenschwester. Rein zufällig ist Maureen in der Bibliothek, als der Amoklauf beginnt. In Panik versteckt sie sich in einem Aktenschrank und muss mit ansehen, wie ihre Zöglinge kaltblütig erschossen werden.

Caelum ahnt zu diesem Zeitpunkt nichts von der Notlage seiner Frau - er ist im fernen Connecticut, weil seine Tante Lolly im Sterben liegt. Er erfährt erst im Fernsehen von dem Amoklauf an seiner Schule und versucht verzweifelt, Maureen zu erreichen. Ohne zu wissen, ob sie noch lebt, fliegt er zurück nach Littleton, um nach seiner Frau zu suchen. Die beiden finden sich inmitten verzweifelter Angehöriger in einer Turnhalle.

Maureen hatte überlebt, die Rückkehr in ihr altes Leben gelingt der schwer traumatisierten Frau jedoch nicht. Sie benebelt sich mit starken Medikamenten und verlässt das Haus nicht mehr. Plötzliche Erinnerungsschübe, sogenannte Flashbacks, holen die Krankenschwester immer wieder ein. Caelum Quirk beschließt, mit ihr zur Farm seiner Tante in Connecticut zurückzukehren, auf der er seine Kindheit verbrachte. Nach dem Tod der Eltern hatte sie Caelum aufgezogen.

Hier scheint es Maureen endlich wieder besserzugehen, sie macht Therapien und arbeitet als Krankenschwester. Doch der Schein trügt. Maureen hat sich nicht unter Kontrolle, nimmt zu viele Medikamente und fährt im Rausch schließlich mit ihrem Auto einen Jungen tot. Dafür muss sie ins Gefängnis - eine zweite traumatisierende Zeit beginnt.

Auch Caelum trägt schwer unter der Last, die durch den Amoklauf, seine kranke Frau und die hohen Kosten für Therapie und Anwälte entstanden ist. Er arbeitet Tag und Nacht, um die Schulden begleichen zu können.

In seinem Roman gelingt es Wally Lamb, die schrecklichen Szenen von Columbine zum Leben zu erwecken. Er beschreibt eindrucksvoll die dramatische Entwicklung der Schicksale und zeigt, wie sehr ein Trauma das gesamte restliche Leben eines Menschen bestimmen kann. Neun Jahre lang hat Wally Lamb an «Die Stunde, in der ich zu glauben begann» gearbeitet. Die dabei gesammelte und niedergeschriebene Fülle von Informationen führt jedoch dazu, dass es zeitweise schwer fällt, den Überblick über die verschiedenen Erzählstränge des mehr als 700 Seiten starken Romans zu behalten. Dem Autor gelingt es erst gegen Ende des Buches, die Informationen wieder zusammenzuführen.

Wally Lamb

Die Stunde, in der ich zu glauben begann

Pendo, München

752 Seiten, Euro 22,95

ISBN 9783866122062