Waffen-SS-Geständnis Waffen-SS-Geständnis: Grass kämpft gegen Zitate aus früheren Briefen

Berlin/Frankfurt/dpa. - Denentsprechenden Beschluss des Landgerichts Berlin übermittelte Grass-Anwalt Prof. Paul Hertin am Mittwoch. Die FAZ, die die Briefe am 29. September publizierte, will den Beschluss prüfen und wird dann voraussichtlich Widerspruch gegen ihn einlegen.
In den beiden Briefen aus den Jahren 1969 und 1970 appelliert derSchriftsteller an den SPD-Politiker, seine NS-Vergangenheit offen zulegen; Schiller (1911-1994) war Mitglied der SA und der NSDAPgewesen. Die Kammer stellt fest, dass die aktuelle Diskussion umGrass kein «dringendes Bedürfnis an der wörtlichen Wiedergabe großerTeile der Briefe» rechtfertige. «Dem Informationsinteresse hätte -ohne dass die Kammer sich hierzu abschließend festzulegen hat -gegebenenfalls Genüge getan werden können durch ein auszugsweisesZitieren.»
«Die Briefe genießen Urheberschutz», argumentieren die Richter undverweisen unabhängig davon auch auf das allgemeinePersönlichkeitsrecht, das gegen eine Veröffentlichung spreche.FAZ-Geschäftsführer Roland Gerschermann sagte am Mittwoch, erkenne den Beschluss und seine Begründung bislang noch nicht. Die FAZbegründe das Publizieren der Briefe aber weiterhin damit, dass dasöffentliche Interesse an einer Veröffentlichung in diesem Fall überden Persönlichkeitsrechten von Grass stehe. «Das wird ein langerjuristischer Weg für Günter Grass», sagte Gerschermann. Dennschließlich gehe es um die Glaubwürdigkeit der öffentlichen PersonGrass, der die Debatte durch sein verspätetes Bekenntnis, Mitgliedder Waffen-SS gewesen zu sein, selbst ausgelöst habe. In seiner imAugust erschienenen Jugend-Autobiografie «Beim Häuten der Zwiebel»hat Grass nach 60 Jahren dies erstmals öffentlich gemacht.
In der Einstweiligen Verfügung räumt das Landgericht ein, dass«gewöhnliche Briefe alltäglichen Inhalts» nicht unter denUrheberschutz fallen. Handle es sich aber um solche, die «Ausdruckeiner individuellen Schöpfung sind, kann Urheberschutz zu bejahensein». Dabei brauche es sich «nicht um hochgeistige Erzeugnisseliterarischer Prägung handeln, wenn sich die Briefe jedenfalls durchdie Art der Sprachgestaltung oder Auseinandersetzung mitwissenschaftlichen, kulturellen, politischen oder sonstigen Fragenvon gewöhnlichen Briefen abheben». «Ein Informationsinteresse derÖffentlichkeit dergestalt, dass die Texte - wenn auch nicht komplettvollständig, so doch in weiten Teilen - abgedruckt wurden, bestehtnicht», resümieren die Richter.
Die von der FAZ abgedruckten Briefe seien «persönlich» gewesen,hatte Grass am Freitag auf der Frankfurter Buchmesse betont. Die FAZ«verhunze» die guten Sitten des Journalismus. Davon könne keine Redesein, hält Gerschermann entgegen. Denn die Briefe seien keineswegsan den Privatmann Karl Schiller gegangen, sondern ausdrücklich anseine Dienstadresse als Bundeswirtschaftsminister in Bonn adressiertgewesen und inzwischen sogar in einer Dissertation zitiert worden.Da die darin enthaltene Aufforderung an Schiller in einem«offenkundigen Widerspruch zum eigenen Verhalten» von Günter Grassstehe, müsse man die Briefe auch einer breiteren Öffentlichkeit zurKenntnis geben können.
FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher sagte kürzlich demNachrichtenmagazin «Der Spiegel» auf die Frage, ob sich die FAZ und Grass gütlich einigen werden: «Nein. Herr Grass kann uns gern verklagen. Wir sehen einem Verfahren gelassen entgegen.»