Antike Vor 2300 Jahren siegt Pyrrhus - und ist verloren
In der Schlacht von Asculum setzt sich Pyrrhus gegen die Römer durch - und muss dennoch klein beigeben. Es ist die Geburt eines Begriffs. Doch was könnte der alte Grieche mit Armin Laschet zu tun haben?

Berlin - Das legendäre 1:0 der DDR-Nationalmannschaft bei der WM 1974 gegen die westdeutsche Fußball-Elf gilt als so einer. Ebenso könnte CDU-Chef Armin Laschet einen errungen haben, als er sich gegen den CSU-Konkurrenten Markus Söder behauptete und unter argen Blessuren Kanzlerkandidat wurde.
Die Rede ist vom Pyrrhussieg, einem kostspielig errungenen Erfolg, der dem Gewinner auf lange Sicht nichts nützt - teils sogar eher schadet.
Ihren Anfang nimmt diese Geschichte vor genau 2300 Jahren. Seinerzeit geht es um die Vorherrschaft in Süditalien. Damals noch auf dem Weg zur antiken Weltmacht, hatte das Römische Reich zunächst die meisten Stämme und Städte in Italien unterworfen und als sogenannte Bundesgenossen an sich gebunden. Ende des 3. Jahrhunderts vor Christus steht dieses Schicksal auch der griechischen Stadt Taras (heute: Tarent) am Stiefelabsatz bevor.
Ihr zu Hilfe segelt übers Ionische Meer der griechische Feldherr Pyrrhos (lateinisch: Pyrrhus). Weil er daheim in Epirus, einem Gebiet auf dem Balkan gegenüber der Insel Korfu, in Thronstreitigkeiten leer ausgeht, will er in Süditalien eine Machtbasis aufbauen und den Feldzug für sein Renommee nutzen. „Er gilt als einer der fähigsten Feldherren seiner Zeit und als militärtechnisch sehr begabt“, sagt der Hamburger Professor für Alte Geschichte, Werner Rieß. „Zweiter Rang nach Alexander dem Großen oder auf einer Stufe mit dem Karthager Hannibal, an dem sich die Römer beinahe auch die Zähne ausbeißen.“
Geld und Truppen erhält er von anderen hellenistischen Herrschern. „Sie sind froh, dass er aus Griechenland verschwindet“, so Rieß. Doppelt gut, wenn er dabei auch noch die Römer schwächt. Und so landet Pyrrhus mit einer stattlichen Menge von fast 30.000 Kämpfern und 20 Elefanten in Italien, wie der antike Historiker Plutarch schreibt. Seine konkreten Kriegsziele seien zwar unklar, sagt Rieß. Doch sicherlich habe Pyrrhus irgendwann erfolgreich nach Hause zurückkehren wollen, um in Epirus die Macht zu ergreifen.
Zunächst läuft es gut für ihn. In einer ersten Schlacht bei Heraclea am Golf von Tarent kann er sich gegen die Römer behaupten. Doch mehr als ein Nackenschlag ist das nicht. Pyrrhus geht davon aus, dass Bundesgenossen von Rom abfallen und stattdessen ihn unterstützen. „Das passiert teilweise, aber nicht in genügendem Maße“, sagt Rieß.
Im Jahr 279 vor Christus kommt es zur Schlacht bei Asculum in Apulien. Auch hier können sich die Römer nicht durchsetzen, doch wiegen die Verluste bei Pyrrhus noch schwerer - seine Kampfkraft ist nachhaltig geschwächt. Er verliert wohl an die 5000 bis 6000 Mann. Nachschub aus Griechenland ist nicht in Sicht, denn die anfänglichen Unterstützer lassen ihn fallen wie eine heiße Kartoffel.
Wer tatsächlich den Sieg bei Asculum für sich beanspruchen kann, darüber gehen die Quellen auseinander. „Ich würde sagen, es ist ein Patt“, so Rieß. Wie Plutarch überliefert, hat Pyrrhus gesagt: „Wenn wir noch ein Mal gegen die Römer siegen, sind wir völlig verloren“.
Es ist ein Zeugnis davon, welch große Ressourcen und Streitkräfte Rom seinerzeit in der Hinterhand hält. Die Militärmacht mit ihren Bundesgenossen ist wie die mythologische Hydra, der zwei Köpfe nachwachsen, nachdem einer abgeschlagen wurde.
Nach dem verlustreichen Feldzug wendet sich Pyrrhus zwischenzeitlich Sizilien zu. Später beendet er nach einer weiteren erfolglosen Schlacht gegen die Römer nahe Neapel seine gesamte Invasion. Die Hafenstadt Taras und damals letzte freie griechische Polis in Italien fällt unter die Schwingen des römischen Adlers. Rom steigt zur Seemacht auf - und kämpft bald gegen Karthago um die Vorherrschaft im Mittelmeer. Pyrrhus hingegen verstrickt sich zurück in seiner Heimat sofort wieder in innergriechische Machtkämpfe.
Solche Scharmützel werden Armin Laschet womöglich nicht bevorstehen. Zumindest schloss der nordrhein-westfälische Ministerpräsident eine Rückkehr in die Düsseldorfer Staatskanzlei aus - selbst wenn er nach der Bundestagswahl nicht ins Kanzleramt einziehen sollte.
Der Sieg der DDR-Auswahl hingegen bringt 1974 tatsächlich einen Helden hervor. Zwar gibt es für die Ostdeutschen nach dem Vorrunden-Triumph über den späteren Weltmeister nichts mehr zu gewinnen. Mit seinem sensationellen 1:0-Treffer aber wird der Stürmer Jürgen Sparwasser legendär - wie Pyrrhus sozusagen.
Der wiederum findet ein eher unrühmliches Ende: Im Jahr 275 vor Christus stirbt er, als ihm - so die Anekdote - eine alte Frau einen Dachziegel auf den Kopf wirft.