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von Donnersmarck von Donnersmarck: «Steven Spielberg hat mich verwirrt»

Von Anja Reich und Martin Scholz 13.12.2010, 13:39

Halle (Saale)/MZ. - Herr von Donnersmarck, Sie haben jaschon wieder einen Agentenfilm gemacht!

Donnersmarck: Ist "The Tourist" einAgentenfilm? War "Das Leben der Anderen" einAgentenfilm?

In "The Tourist" sind fast alle, die mitspielen,Undercover-Agenten. Und bei "Das Leben derAnderen" Mitarbeiter der Staatssicherheit.

Donnersmarck: Der Zusammenhang istmir noch nicht aufgefallen. Ich hatte eherdas Gefühl, mit meinem neuen Film das absoluteGegenteil zum "Leben der Anderen" abzuliefern.Aber es ist ja interessant, dass Sie da bereitsjetzt eine Werkkontinuität sehen.

Es gibt auch noch andere Gemeinsamkeiten.

Donnersmarck: Jetzt bin ich gespannt,welche.

Die Figuren-Konstellation ist ähnlich:Martina Gedeck hatte etwas Divenhaftes, sowas unmodern Schönes, genauso wie AngelinaJolie, und Johnny Depp und Ulrich Mühe sindbeide tragische Helden.

Donnersmarck: Interessant. Beide Filmesind gewissermaßen durch den gleichen ästhetischenFilter gegangen, nämlich mein Empfinden. Aberdadurch, dass die Entstehung der Projekteso extrem unterschiedlich war, hat sich "TheTourist" für mich so anders angefühlt. Beim"Leben der Anderen" konnte ich mir eigentlichgar nicht so genau erklären, warum ich jetztunbedingt diesen Film machen wollte, was meineMotivation war, so viel Zeit in diese Geschichtezu stecken.

Vier Jahre.

Donnersmarck: Ja. Bei "The Tourist"war es anders. Da die Geschichte nicht ausmeinem eigenen Unterbewussten kam, sondernmir angetragen wurde, musste ich mir erklärenkönnen, was mich an diesem Projekt reizte.Bei all den Drehbüchern und Stoffen, die mirpräsentiert wurden, hatte ich das Gefühl,das ist jetzt der erste, aus dem ich einenFilm machen könnte, der herausstellt, wasmir an Hollywood immer gefallen hat.

Was hat Ihnen denn schon immer an Hollywoodgefallen?

Donnersmarck: Die wunderschönen, erotischenFrauen, die überhöhte Pracht, der glanzvolleBlick auf die Welt. Eine Welt, die überlebensgroßist, aber dann doch noch mit unserer Weltzu tun hat. Es gibt ja zwei Sichtweisen aufHollywood: Entweder sieht man die großen Explosions-und Monster-Filme oder so was in der Art –und das ist halt nicht so meine Sache. Oderman sieht in Hollywood den Glanz und die Schönheit.Die Seite interessiert mich mehr.

Man hat den Eindruck, dass Sie sich mit"The Tourist" auch vor dem Bond-Genre verneigen:Verfolgungsjagden in den Gondeln von Venedig,Ex-Bond Timothy Dalton als grauer ScotlandYard Chef, der ehemalige Bond-Bösewicht StevenBerkoff als Schurke.

Donnersmarck: Jetzt, wo Sie es sagen,fällt es mir zum ersten Mal auf. Schön, dassSie Berkoff erwähnen. Berkoff habe ich daserste Mal als Schurke in "Beverly Hills Cop"gesehen, mit zwölf. Ich fand Berkoffs Bösewichtso würdevoll und charmant, dass ich ihn mirimmer gemerkt habe. Und dann, viel später,als ich in Brüssel lebte, war auf einmal dieganze Stadt mit einem Porträt Berkoffs plakatiert.Er spielte an einem der ernsthafteren TheaterBrüssels Kafkas "Verwandlung". Mich beeindruckte,dass dieser Mann, den ich bisher nur als Repräsentantender Pop-Kultur kannte, plötzlich auch im Bereichmeiner Eltern punktete, wie er diese beidenWelten so selbstverständlich verknüpfte. Alsich jetzt über einen Bösewicht nachdachte,sagte ich der Casting-Agentin: Wie wär’s mitSteven Berkoff. Sie sagte nur: "Mann, an denhabe ich seit 20 Jahren nicht mehr gedacht."Er hat so ein ganz besonderes Gesicht. Ichhabe mir das manchmal am Schneidetisch stundenlangangeschaut, er sieht aus wie eine alt-mexikanischeOlmec-Statue. Ein idealisierter Kaiser-Kopf,alles an ihm ist auf beeindruckende Weisefleischig und übergroß, seine Finger sinddoppelt so breit wie meine, wie perfekte Skulpturen.Mir war wichtig, dass die sogenannten Nebendarsteller,die gleiche körperliche Präsenz haben wieAngelina Jolie und Johnny Depp.

Es heißt, Sie waren der Wunsch-Regisseurvon Angelina Jolie. Nun gelten Sie als jemand,der sich bei der Arbeit nicht gerne reinredenlässt. Wie viel Macht hat ein Star wie Jolie,die sich Regisseure aussuchen kann?

Donnersmarck: Was heißt schon aussuchen.Die meisten großen Stars wie Angelina Jolieflirten ja gleichzeitig mit 20 Film-Projekten.Dann versucht sie zu sondieren, welche Aspektesie zum einen oder anderen Projekt hinbewegenkönnten. Irgendwann rief sie mich an, sagte:"Schau, Florian, ,The Tourist‘ ist eines derProjekte, die mich interessieren. Wenn dues neu schreiben und inszenieren würdest,würde ich es mir ernsthaft überlegen."

Kannten Sie die französische Vorlage "FluchtpunktNizza" aus dem Jahr 2005 mit Sophie Marceauin der Hauptrolle.!

Donnersmarck: Nein, und ich habe sie mirbis jetzt nicht angesehen, habe auch Angelinaaufgefordert, sie sich nicht anzuschauen.Ich wollte nicht die Bilder eines anderenRegisseurs im Kopf haben, wollte den Stoffneu angehen. Wie auch immer, es war also nichtso, dass sie sagte: "Ich will diesen Regisseur."Man trifft sich, spricht, tauscht sich ausund geht dann meistens wieder getrennter Wege,hat aber bereits eine bessere Verständigungfür das Gespräch über das nächste Projekt.

Nur ist es zurzeit wohl eher unwahrscheinlich,dass irgendein Regisseur Angelina Jolie ineiner Hauptrolle ablehnen würde, oder?

Donnersmarck: Ich bin ihr größterFan, das wusste sie auch. Ich habe mich immergegrämt, dass es in den Drehbüchern, die ichentwickelte, eigentlich keine geeignete Rollefür sie gab. Deshalb war ich so begeistert,dass es hier einen Stoff gab, der mich ansprach,von dem ich wusste, dass ich die Seite vonihr zeigen kann, die mich eigentlich am meistenfasziniert – ihre extrem weibliche, weicheSeite. Da wurden wir uns schnell einig.

Wie kam es überhaupt zu der Verbindungzu Angelina Jolie?

Donnersmarck: Brad Pitt hat mich ihrbei den Golden Globes 2007 vorgestellt.

Und woher kannten Sie Brad Pitt?

Donnersmarck: Brad und ich haben unsin Los Angeles kennen gelernt, er hatte michdort Mitte 2006 zum Mittagessen eingeladen.Wir haben uns gleich sehr gut verstanden.Er ist ein sehr kulturinteressierter, unglaublichfreundlicher Mensch. Durch ihn wusste Angelinavermutlich auch, dass ich sehr gerne mal mitihr zusammenarbeiten wollte.

Es gab während der Dreharbeiten Berichteüber künstlerische Differenzen zwischen Ihnenund Ihrem weiblichen Star. Hat Jolie in IhreRegie eingegriffen?

Donnersmarck: Von solchen Berichtenhabe ich noch nie gehört. Nein, niemals. Wirhaben uns wirklich sehr, sehr gut verstanden.Sie ist eine sehr respektvolle, professionelleSchauspielerin.

Bei "Das Leben der Anderen" haben Siemit den berühmtesten deutschen Schauspielerngedreht, jetzt mit den berühmtesten amerikanischen.Arbeitet man anders mit einer Martina Gedeckals mit einer Angelina Jolie?

Donnersmarck: Also, wenn man erstmal mit den Schauspielern am Set ist, istdie Arbeit genau die gleiche. Ob Martina Gedeckoder Angelina Jolie, Sebastian Koch oder JohnnyDepp - das sind alles Schauspieler der absolutenSpitzenklasse. Einen Unterschied gibt es allerdings.Wenn man mit Martina oder Sebastian dreht,stehen nicht 70.000 kreischende Fans hintereinem bei einem Dreh auf einem öffentlichenPlatz. Das ist eher ein logistischer Unterschied.Man muss das ausblenden, darf sich nicht vonder Intimität einer Szene abbringen lassen,wenn drumherum alles "Johnny" und "Angie"kreischt. Manchmal schnappte ich mir das Megafon,holte tief Luft und sagte: "Liebe Freunde,ich bin glücklich, dass ihr unsere Schauspielerso liebt. Aber trotzdem müsst ihr mir jetzteinen großen Gefallen tun: vollkommene Ruhe,bis ich Cut sage." Und dann wurden auch allestumm, man hörte gar nichts mehr.

Hilft Ihnen in solchen Momenten auch IhreGröße von 2,05 Metern?

Donnersmarck: Ich bin nicht autoritär,wenn Sie darauf anspielen. Das brauche ichauch nicht zu sein. Denn das Amt des Regisseurshat schon so viel Autorität in sich. Das mussman nicht eigens noch übertreiben. Die ganzeFilmstruktur ist ja so aufgebaut, dass derRegisseur eh alles entscheidet, jedes kleinsteDetail absegnen muss. Insofern tut sich daauch ein Woody Allen nicht schwerer als ich,obwohl der, glaube ich, nur einen Meter fünfziggroß ist.

Sonst gab es keine Unterschiede zwischendiesen beiden Produktionen?

Donnersmarck: Logistische Unterschiede.Organisatorische Unterschiede. Man hat vielmehr Menschen um sich. Martina und Sebastianwurden z.B. von dem gleichen Maskenbildnerbearbeitet wie die anderen Schauspieler. Angieund Johnny haben dagegen ein ganzes Team vonLeuten, die sich nur um sie kümmern – zwischenjeder einzelnen Einstellung. Es ist einfachein größerer Apparat. Aber vom kreativen Arbeitenher ist es gleich.

Mussten Sie selbst in diesem Umfeld andersauftreten als bei Ihren deutschen Filmen?

Donnersmarck: Nein. Es wäre mir vielzu anstrengend, mich irgendwie zu verstellen.Als ganz junger Mensch probiert man vielleichtnoch verschiedene Rollen aus. Aber irgendwannerkennt man, dass man dafür einen zu hohenemotionalen Preis zahlt. Ist doch alles schonanstrengend genug.

Nachdem Sie den Oscar für "Das Leben derAnderen" bekommen hatten, soll Steven Spielbergzu Ihnen gesagt haben: "Davon wirst du dichnicht mehr erholen." Hat Sie das ermutigtoder erschreckt?

Donnersmarck: Es war ein bisschenmysteriös. Ich weiß auch nicht, warum er dasgleich mehrmals gesagt hat. Er hat esmehrmals gesagt? Das klingt ja fast wie eineDrohung.

Donnersmarck: Ich muss zugeben, erhat mich damit ein bisschen verwirrt. Er sagtmanchmal so kryptische Sachen. Und weil erSteven Spielberg ist, deuteln dann die Leutewochenlang daran herum. Vielleicht war esnur eine Floskel. Vielleicht ist es aber auchaus seiner eigenen Erfahrung heraus zu verstehen.Nachdem er für "Schindlers Liste" endlichden Oscar bekommen hatte, sagte er damalssinngemäß: "Das ist das köstlichste Wasser,das ich nach einer unendlich langen Durststrecketrinken darf." Als ich das damals hörte, dachteich mir nur: Dieser Mann nimmt den Oscar aberunglaublich wichtig. Dass er seine Arbeitbis zu der Preisverleihung als Durststreckebezeichnete, nur weil er bis dahin nie diesenhöchsten Preis bekommen hatte, hat mich erstaunt.Vielleicht fürchtete er für mich, die Tatsache,dass ich gleich für meinen ersten Spielfilmeinen Oscar bekam, würde mich irgendwie ausder Bahn werfen. Ich glaube aber, im Gegenteil,diese Auszeichnung gibt mir eine größere Unabhängigkeit.

Unabhängigkeit wovon?

Donnersmarck: Die Unabhängigkeit,zu sagen: Okay, um den Oscar kann es jetztnicht mehr gehen. Wahrscheinlich geht es auchAngelina Jolie so. Sie hat ja auch sehr frühin ihrer Karriere den Oscar gewonnen, für"Girl Interrupted". Man hat bei ihr heutenicht das Gefühl, dass sie ihre Rollen danachauswählt, für welche sie einen Oscar bekommenkönnte. Sie geht danach, was ihr gerade zusagt.

Und worum geht es Ihnen?

Donnersmarck: Ich will mir selbstnicht erklären müssen, warum mich ein Filmstoffgerade anspricht. Ich will ihn einfach machenkönnen, wenn ich das Gefühl habe, da tun sichmir Bilder auf, die mich ansprechen.

Als Sie bei der Oscar-Preisverleihungauf der Bühne standen, haben Sie verkündet:"Ich trete hier auch für mein Land an." FühltenSie sich da auf patriotischer Mission?

Donnersmarck: Auch wenn ich es war,der den Oscar für den besten nicht englischsprachigenFilm entgegengenommen hat, so ging dieserPreis doch auch an mein Land. Auf dem Oscarsteht "Germany", nicht Florian Henckel vonDonnersmarck. Insofern, ja, es war ein patriotischesStatement. Wissen Sie, es ist ein einsamerMoment, da vorne zu stehen und alleine ausgezeichnetzu werden. Ich habe den Film ja mit sehr vielenMenschen gemeinsam gemacht. Und dann stehich da auf einmal alleine da. In dem Augenblickhat mir der Gedanke gefallen, dass ich alsVertreter meines Landes da oben stehe. EinLand, das diesen Film ja möglich gemacht hat.Er wurde größtenteils aus staatlichen Fördermittelnfinanziert. Das ist eine große Errungenschaftunseres Landes.

Sie waren stolz auf Ihr Land?

Donnersmarck: Ja. Weil unsere Filmförderung solche Projekteermöglicht, war dieser Film, war dieser Preismöglich. Und vielleicht wertet dieser Preisden deutschen Film international auch weiterauf.

Dieses Land hat auch den Stoff hervorgebracht,den Sie im "Leben der Anderen" verwertet haben,ein Stoff, der so dicht an der Wirklichkeitwar, dass es zu einem bösen Streit zwischendem Hauptdarsteller Ulrich Mühe und seinerEx-Frau Jenny Gröllmann kam, ausgelöst dadurch,dass Sie in einem Interview Mühe auf den Verdachtder Stasi-Tätigkeit seiner Ex-Frau angesprochenhaben. Inzwischen sind beide an ihren Krebsleidengestorben. Haben Sie es je bereut, Mühe überredetzu haben, diese Geschichte in die Öffentlichkeitzu bringen?

Donnersmarck: Was meinen Sie jetztgenau mit "bereuen"?

Es heißt, Sie hätten mehrere Stunden mitUlrich Mühe über sein Leben gesprochen. Undals er selbst das Thema Stasi nicht angesprochenhat, haben Sie es dann gemacht.

Donnersmarck: Also es war so, wirhaben tatsächlich darüber gesprochen und ichhabe ihm gesagt: "Schau, die Geschichte überdie Stasi-Tätigkeit deiner Frau ist bekannt."Damals waren ja schon hunderte Akten-Seitenüber Jenny Gröllmann aufgetaucht, in denenstand, sie sei IM gewesen. Das war in denJahren zuvor bereits ein bisschen durch diePresse gegangen, aber wieder verpufft. Zumeinen, weil Ulrich Mühe damals noch nichtso bekannt war, zum anderen, weil es keinenrichtigen Aufhänger gab. Hinzu kam, dass damalsviele solcher Geschichten publik wurden, ohneein großes Medienecho hervorzurufen. Ich wussteall das, denn Ulrich hatte mir auch seineAkten gezeigt. Ich meinte dann zu ihm: "Ulrich,diese Geschichte wird hundertprozentig vonder Boulevardpresse wieder aufgegriffen, wennunser Film rauskommt. Einfach, weil das Themaunseres Films zu nah an deiner Lebensgeschichteist." Ich schlug ihm vor, er solle sich ineinem längeren Gespräch dazu äußern, um denkomplizierten Kontext darzustellen. Ich dachte,so würden wir verhindern, dass am Ende allesin verknappten Sensationsschlagzeilen wie"Frau von Stasifilm-Star war selbst bei derStasi" verzerrt wird. Was Ulrich letztendlichso zu schaffen machte, war, dass sich vieleMedien eben nicht die Mühe machten, seineausführlichen, differenzierten Äußerungenzu dem Thema in meinem Buch zu lesen. Am Endekamen dann doch genau jene verzerrten Schlagzeilen,die ich ihm eigentlich ersparen wollte. Dakann man nichts machen. Man darf bei alledemnicht vergessen, was die wirkliche Quelledes Übels war. Das war die Stasi, das möchteich hier nur noch mal klar stellen – es istnicht verwerflich, dass Ulrich Mühe darübergesprochen hat. Wissen Sie, anfangs habe ichmich immer wahnsinnig geärgert, wenn die LeuteUlrich Mühe oder mich wegen dieses Films angegriffenhaben. Erst am Ende habe ich gemerkt, dasses eine ganz einfache Art gibt, all dieseVorwürfe zu entkräften.

Wie denn?

Donnersmarck: Ich sagte: "Nennen Siemir doch mal eine Sache, die in dem Film vorkommt,die in der DDR zu der Zeit nicht an der Tagesordnungwar." Dann war meist Schweigen. Ich hattezuvor ja jahrelang intensiv recherchiert,auch z.B. die Gerichtsprozesse gegen abtrünnigeStasi-Leute auf Kassette im Birthler-Archivgehört. Es war sehr interessant, von den Gewissensnötendieser Menschen zu erfahren, warum sie sichgegen dieses System gewandt hatten.

Wann haben Sie Ulrich Mühe das letzteMal gesehen?

Donnersmarck: Wir haben uns bis zuseinem Ende gesehen und ausgetauscht. Ganzabgesehen von dem Film war er ein sehr wichtigerMensch in meinem Leben. Kurz vor seinem Todhat er mir einen wunderschönen Brief geschrieben.Der hängt in meinem privaten Arbeitszimmer,wo außer mir niemand reinkommt, gerahmt ander Wand. So werde ich immer an ihn erinnert.

Was hat er Ihnen geschrieben?

Donnersmarck: Das ist zu privat. Ichhabe Ulrich sehr bewundert, auch seine Haltungzu der Debatte über ihn und seine Frau, wieer dazu gestanden hat, dass man über seineeigene Vergangenheit reden dürfen muss.

Als Ulrich Mühe schon sehr krank war,haben Sie Tom Cruise mit zu ihm genommen.Was hat Mühe dieser Besuch bedeutet?Donnersmarck: Ulrich hat sich darübergefreut. Er hat ja noch zu einer Zeit in derDDR gelebt, als Tom Cruise der größte Starder USA, der kapitalistischen Feindnationwar. Den jetzt in seiner Wohnung in Berlinzu Gast zu haben, ihn sagen zu hören, wiesehr er ihn als Schauspieler bewundert, warfür ihn glaube ich ein Beweis, dass er wirklichvorangekommen war – ich meine jetzt nichtkarrieretechnisch, sondern dass Feindbilderüberwunden waren, dass die Welt näher zusammengerücktwar. Die deutsche Einheit, der Weltfriede,so pathetisch das klingt, waren ihm ein wirklichesAnliegen. Ich glaube, das merkt man an seinemWerk, an seinem Spiel, an seiner gesamtenHaltung.

Über all diese Dinge haben Sie vor seinemTod noch gesprochen?

Donnersmarck: So philosophisch dannnicht mehr, aber auf jeden Fall hat er gesagt,wie ihn gefreut hat, dass ihn Tom besuchthat. Vor allem hat ihn einfach gefreut, dasssein Genie auch international anerkannt wurde.Man denkt ja immer, so kurz vor dem Tod bedeuteneinem diese Äußerlichkeiten nichts mehr. Ichglaube, bei Künstlern ist das anders.

Nach "Das Leben der Anderen" sind Siegleich nach Los Angeles gegangen. War dasauch eine Flucht vor den schweren deutschenDebatten?

Donnersmarck: Es war keine Flucht;ich bin nach Los Angeles gegangen, weil ichals Filmemacher besser werden wollte. LosAngeles ist ja nicht nur das Zentrum der amerikanischenFilmwelt, sondern der gesamten Filmwelt. Ichhatte das Gefühl, dass ich dort noch mehrlernen kann – und das ist auch eingetreten.

Was haben Sie gelernt?

Donnersmarck: Der intensive Austauschmit anderen Kreativen, das hochprofessionelleArbeiten dort hat mich sehr vorangebracht.Ich werde dort täglich, wöchentlich, jährlichzu einem besseren Regisseur.

Inwiefern?

Donnersmarck: Allein schon durch denAustausch mit anderen Regisseuren. OliverStone beispielsweise veranstaltet einmal imMonat ein Treffen mit acht Regisseuren, woman sich austauscht. Oder ich gehe mit KathrynBigelow wandern und wir besprechen dabei Filmstoffe.

Und die Schriftstellerin Cornelia Funkepasst auf Ihre drei kleinen Kinder auf.

Donnersmarck: Ja, genau. Das kommtnoch hinzu: In Los Angeles leben so vieleinteressante Deutsche. Cornelia ist eine wunderbareFreundin. Sie ist, glaube ich, die einzige,die außer dem Studio bereits den Stoff fürmeinen nächsten Film im Detail kennt. Aberes leben wirklich viele andere Deutsche dort.Werner Herzog beispielsweise oder WolfgangPetersen. Ihn rufe ich immer wieder mal an.Auch für diesen Film habe ich ihn um Rat gefragt:"Sag mal, Wolfgang, dieser Regie-Assistent.Ist der gut?"

Ist die deutsche Enklave in Hollywoodfür Sie eine Art Refugium, wo Sie sich absichern,vergewissern können?

Donnersmarck: Wenn ich einen wirklichwichtigen Rat brauche und mich vollkommendarauf verlassen will, dass er von jemandemkommt, der es gut mit mir meint, dann rufeich eher Wolfgang Petersen oder Arnold Schwarzeneggerals andere an. Vielleicht liegt es daran,dass durch die gemeinsame Herkunft ein größeresGrundvertrauen da ist.

Was bereden Sie denn mit Arnold Schwarzenegger?

Donnersmarck: Neulich rief er michan und sagte: "Schau mal, hier ist ein Produzent,der ist sehr gut, mit dem solltest du dichunbedingt treffen." Wenn mir jemand anderesso was sagte, würde ich vielleicht antworten:"Okay, ich kümmere mich darum, wenn mein Filmfertig ist." Wenn Schwarzenegger anruft, sageich: "Okay; mache ich heute oder morgen."

Sie haben mal gesagt, schon als Kind wolltenSie so sein wie Arnold Schwarzenegger.

Donnersmarck: Ich finde Arnold Schwarzeneggerals Gesamtkunstwerk inspirierend. Er hat gezeigt,dass er alles erreichen kann, was er erreichenwill. Sehen Sie, ich hatte in meinem Lebenviel bessere Startbedingungen als er. Aberauch ich musste durch viele Niederlagen gehen,bis ich meine ersten Erfolge feierte. Undbei all den Niederlagen habe ich immer anihn gedacht, er ist ein wirkliches Vorbild.

Ist Schwarzeneggers Wechsel vom Film-Geschäftin die Politik für Sie auch vorbildhaft?

Donnersmarck: Ich habe ihn zu seinerPolitik nie so intensiv befragt, weil er damitzurzeit so viel Mühe hat. Aber wenn er imJanuar abtritt, würde mich sehr interessieren,wie seine Bilanz ausfällt. Er hat mir malgesagt, dass seine Zeit in Hollywood die perfekteVorbereitung auf die Politik gewesen sei.Er fliegt ja immer morgens von L.A. nach Sacramento.Er sagt, er spüre schon im Anflug, wenn sichdie politischen Interessenlagen in der Stadtüber das Wochenende wieder verändert hätten.Das sei genauso wie in Hollywood, der ständigeWechsel der Strukturen und Interessen vonTag zu Tag.

Klingt sehr esoterisch.

Donnersmarck: Das fand ich auch. Aberich weiß trotzdem genau, was er damit meint,und dass er sicher Recht hat. Vieles an dem,was er macht, ist ja esoterisch und philosophisch.Nehmen Sie seine Visualisierungs-Philosophie.Dass er sich in seiner Zeit als Bodybuilderjenen Körper vorgestellt hat, den er mal habenwollte, den noch niemand je zuvor gehabt hatte.Und dann folgt die Wirklichkeit der Vorstellung.

Schwarzenegger kommt aus einfachen Verhältnissen,nicht aus einem bildungsbürgerlichen Umfeldwie Sie.

Donnersmarck: Deshalb habe ich keineAusreden dafür, nicht noch viel mehr zu schaffen,als das, was ich jetzt schon erreicht habe.

Woher kommt dieser Ehrgeiz, dieser Antriebbei Ihnen?

Donnersmarck: Ich weiß nicht, ichfand die Vorstellung immer furchtbar, dieseWelt zu verlassen und sie nicht in irgendeinerForm mitgeprägt zu haben – hoffentlich zumBesseren hin. Das war mir schon immer sehrwichtig.