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Vesselina Kasarova Vesselina Kasarova: Großes Gefühl

Von manuela schreiber 04.06.2012, 17:25

Halle (Saale)/MZ. - Eine Geste, die sich einprägt: Nach ihrer Zugabe im Festkonzert am Sonntagabend verneigt sich Vesselina Kasarova (Foto) bodentief, anschließend schlägt sie ein Kreuz über der Brust. Da war noch einmal die Größe dieser Frau zu spüren, ihre Kraft, ihr Ausdruckswille und vor allem: ihre menschliche Wärme und ihr Bekenntnis zum Gefühl. Weil das im Starsängerzirkus nicht selbstverständlich ist, berührte es umso mehr.

Innerhalb eines orchestralen Rahmenprogramms mit Werken von Händel und Haydn (Helsinki Baroque Orchestra unter Yordan Kamdzhalov) präsentierte die Mezzosopranistin in Halles Marktkirche vier Stücke des musikalischen Barock. Mit der Kirchenkantate "Giunta l'ora fatal" des Venezianers Giovanni Battista Ferrandini, die früher einmal Händel zugeschrieben war, begann sie. 1730 entstanden, trägt diese Marienklage noch alle Elemente ausgeklügelter italienischer Komponierkultur in sich. Effektgeladene Streicherschläge à la Vivaldi beschreiben das Erdbeben nach Jesu Tod und die Arie "Svenurati miei sospiri" klagt so mild, wie es damals nur ein Pergolesi konnte.

Und die Kasarova? Füllte mit ihrer Stimme mühelos den Kirchenraum, Höhe wie Tiefe trugen bis in die letzte Reihe. Jeder Satz, jede Wendung im Affekt spiegelte sich auch in ihrem Gesicht, in der Tongebung und -färbung.

Als sie nach zwei Arien aus Händels "Il trionfo del Tempo e del Disinganno" zur Arie des Ariodante "Con l'ali di constanza" kam, wurde endgültig offenbar, warum die Sängerin so bewundert wird: Die aberwitzigen Koloraturfolgen, einst für den Kastratenstar Carestini geschrieben, feierten in Kasarovas Interpretation neue Triumphe.

"Verdi prati" dann, die Zugabe: Klar und kraftvoll und kein bisschen sentimental kam der Händelklassiker über ihre Lippen. Vesselina, die Große.