«Vater des vernetzten Denkens» «Vater des vernetzten Denkens»: Frederic Vester im Alter von 77 Jahren gestorben

München/dpa. - Der «Vater des vernetzten Denkens», Frederic Vester, ist im Alter von 77 Jahren in München gestorben. Wie dpa zuverlässig aus dem engsten Mitarbeiterkreis erfuhr, erlag der Publizist und Biochemiker in der Nacht zum Sonntag einer schweren Krankheit. Vester war bis zuletzt wissenschaftlich tätig und erstellte unter anderem als Zukunftsforscher Gutachten für Unternehmen und Organisationen in aller Welt. Der renommierte Wissenschaftler war auch Mitglied im «Club of Rome» und unter anderem Träger des Adolf-Grimme-Preises.
Vester hatte sich während seiner langen Laufbahn in der Forschung und Hochschullehre einen internationalen Ruf als Autor, Kybernetiker, Biokybernetiker, Biochemiker, Pharmakologe, Pharmazeut und Biophysiker erworben. Er wurde am 23. November 1925 als Sohn eines Kaufmanns in Saarbrücken geboren und studierte an den Universitäten Mainz und Paris. Einer Assistenz in der experimentellen Krebsforschung in Heidelberg folgten mehrere Forschungsaufenthalte in den USA.
Bis 1970 blieb Vesters Hauptarbeitsgebiet die Krebsforschung. Damals gründete er einen neuartigen Institutstyp für interdisziplinäre Forschung, Publizistik und Beratung - die private Studiengruppe für Biologie und Umwelt. Sein Tätigkeitsschwerpunkt wurde dann die Biokybernetik. Vester profilierte sich in der Folge mit seiner praxisnahen und gesellschaftsbezogenen Auftragsforschung und gab wesentliche Anstöße auch in der Landschafts- und Städteplanung.
Das Hauptaugenmerk richtete der Autor dabei auf Fragen des biologisch-ökologischen Gleichgewichts und der Freizeitphilosophie. Vesters Studiengruppe, eine GmbH, blieb stets unabhängig von Staat und Industrie. Die Einnahmen stammten aus Vesters Öffentlichkeitsarbeit und dem Verkauf der eigenen Forschungsarbeit.
Bis 1989 war der Musikliebhaber und Sportflieger auch ordentlicher Professor für Interdependenz von technischem und sozialem Wandel an der Bundeswehr-Universität in München. In den 90er Jahren machte der mit zahlreichen Preisen und Ehrendoktorwürden ausgezeichnete Forscher besonders als Kritiker des «Mobilitätswahns» auf sich aufmerksam. In seinen viel beachteten Veröffentlichungen «Ausfahrt Zukunft» und «Crashtest Mobilität» plädierte er für ein anderes Verständnis von Mobilität und forderte zukunftsorientierte Formen des Verkehrsgeschehens und -verhaltens. Dazu gehörten ein flächendeckendes Verbundsystem von Bus und Bahn, ein generelles Tempolimit und die Erhöhung der Treibstoffpreise.
In seinem Erfolgs-Buch «Die Kunst, vernetzt zu denken» warnte Vester vor den Gefahren der Informationsflut. Er propagierte, nicht durch riesige Datenbanken, sondern durch die Herstellung von Beziehungen zwischen den Daten könne die gewaltige Menge von Informationen bewältigt werden. Den Adolf-Grimme-Preis 1974 bekam er für den Fernsehfilm «Denken, lernen, vergessen».