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«Vater der Atombombe» - Alles über Oppenheimer

Von Susanna Gilbert-Sättele 07.12.2009, 15:22

Berlin/dpa. - Er gilt als der «Vater der Atombombe» und war einer der brillantesten Physiker: J. Robert Oppenheimer (1904-1967). Kürzlich ist seine Biografie «J. Robert Oppenheimer» erschienen.

Und wer das 580 Seiten starke Werk gelesen hat, dem wird sofort klar, warum die beiden Autoren Kai Bird und Martin J. Sherwin für ihre exakte Recherche und ihre packende Darstellung den begehrten Pulitzer-Preis erhalten haben.

Besonderes Augenmerk legen die Verfasser auf die Diffamierungen Oppenheimers in der McCarthy-Ära. Er war das wohl prominenteste Opfer der antikommunistischen Hetze in den USA Ende der 1940er bis Anfang der 1950er Jahre. Auf dem Höhepunkt der von US-Senator Joseph McCarthy geschürten Hysterie musste der weltbekannte Physiker nach illegalen Abhöraktionen sogar den Staatsdienst quittieren. Wahrlich kein Ruhmesblatt für die USA.

Auslöser war Oppenheimers Entsetzen nach dem Abwurf der ersten Atombombe auf Hiroshima am 6. August 1945: Erschüttert von der Zerstörungskraft seiner Schöpfung hatte er sich gegen den Einsatz von Nuklearwaffen engagiert. Das Zusammenspiel von FBI und McCarthy bei der Verleumdung Oppenheimers als Spion der Sowjetunion war «die Niederlage des amerikanischen Liberalismus», stellen die Autoren fest.

Die amerikanische Wissenschaftlergemeinschaft war über Jahre traumatisiert. Erst 1963 - vier Jahre vor seinem Tod im Alter von nur 62 Jahren - wurde der Wissenschaftler deutsch-jüdischer Abstammung von US-Präsident J. F. Kennedy rehabilitiert. Die Autoren erinnern in diesem Zusammenhang daran, dass es nicht einen einzigen Beweis gegeben hat, der Oppenheimer als Agenten belasten konnte.

Über 30 Jahre hinweg haben Bird und Sherwin in Interviews mit Angehörigen, Freunden und Zeitzeugen das Leben des in New York geborenen Wissenschaftlers dokumentiert. Ihnen gelang es, FBI-Akten zu sichten, die Tonbänder von Reden und Verhören Oppenheimers auszuwerten und vor allem seine privaten Aufzeichnungen einzusehen. All dies gibt einen intimen Einblick in die charismatische Persönlichkeit Oppenheimers und offenbart das Ausmaß der Hexenjagd auf den renommierten Wissenschaftler und Forscher.

Nobelpreisträger Albert Einstein, der damals schon seit langem weltweiten Ruf genoss, nannte den Angriff auf Oppenheimer «ungeheuerlich». Möglicherweise erinnerte er sich an seine Erfahrungen in NS-Deutschland, jedenfalls glaubte er, dass Oppenheimer «nicht verpflichtet sei, sich einer solchen Hexenjagd zu unterwerfen». Oppenheimer habe seinem Land gut gedient, und wenn dies der Dank Amerikas sei, dann solle er ihm den Rücken kehren. Doch Oppenheimer hat nie ein Sekunde daran gedacht, die USA zu verlassen. Trotz aller Anfechtungen und quälenden Demütigungen, Oppenheimer liebte Amerika.

Der Physiker war als Leiter des streng geheimen Manhattan-Projekts in Los Alamos in der Wüste von New Mexiko berühmt geworden. Dort war am 16. Juli 1945 die erste Test-Atombombe gezündet worden. Ursprünglich für den Kampf gegen die Nazis entwickelt, kam die verheerende Bombe mit der Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 zu spät. Die Amerikaner setzten dennoch ihre Forschungen unvermindert fort. Sie wollten vor den Russen eine zerstörerische Waffe haben, von deren ungeheuerlichen Sprengkraft selbst die US-Forscher überrascht wurden.

Oppenheimer war schnell klar, dass die US-Atombombe ein Rüstungswettrennen nach sich ziehen würde. Als der Kalte Krieg die Politik zwischen Russland und Amerika bestimmte, stellte Oppenheimer fest: «Amerika und die Sowjetunion sind wie zwei Skorpione in einem Glas. Jeder kann dem anderen den tödlichen Stich beibringen, aber jeder riskiert dabei auch sein eigenes Leben.» Aus diesem Grund war er auch ganz entschieden gegen den Bau einer Wasserstoffbombe.

Die Autoren belegen, dass die Strategie von Oppenheimers Verfolgern nach hinten losging. Sie hatten nicht einkalkuliert, dass das Bekanntwerden seines Kampfes gegen die Bombe das Ansehen Oppenheimers in Amerika ebenso wie im Ausland nur noch steigerte. War er bislang nur als Vater der Atombombe bekannt, wurde er nun zu einer noch faszinierenderen Gestalt - zu einem Wissenschaftler, der zum Märtyrer wurde, vergleichbar mit Galileo Galilei.

Kai Bird und Martin J. Sherwin

J. Robert Oppenheimer

Verlag Propyläen, Berlin

580 Seiten, 29,95 Euro

ISBN 978-3-5490-7358-2