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Komiker goes Märtyrer Uwe Steimle und der MDR: Aufreung um Entlassung des Komikers

Von Andreas Montag 16.12.2019, 09:00
Der Kabarettist Uwe Steimle, 2012 auf der Buchmesse in Frankfurt am Main.
Der Kabarettist Uwe Steimle, 2012 auf der Buchmesse in Frankfurt am Main. Frank May/dpa

Leipzig/Halle (Saale) - Große Aufregung um den Dresdner Kabarettisten und Schauspieler Uwe Steimle. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR), bei dem der sächselnde Komödiant mit dem Hang zum Volkstribun in „Steimles Welt“ zu sehen war, hat dem Mann den Stuhl vor die Tür gesetzt. Das bei Zuschauern beliebte Format wird nicht fortgeführt.

Inzwischen haben tausende Steimle-Fans gegen diesen Rauswurf protestiert. Der MDR soll seine Entscheidung zurücknehmen, fordern sie. In der Leipziger Volkszeitung erschien in der vergangenen Woche eine ganze Seite mit zornigen Leser-Kommentaren zu diesem Thema.

„Falls Sie zustimmende Lesermeinungen zur MDR-Entscheidung vermissen - der LVZ liegen keine vor“, merkte die Redaktion dazu an. Das könnte allerdings auch schlicht daran liegen, dass es Menschen gibt, die Steimle weniger wichtig nehmen als er selbst und seine Anhänger es tun.

Uwe Steimle und der MDR: Keine Meinungsfreiheit?

Warum aber musste Steimle eigentlich gehen? Und weshalb schlagen die Erregungswellen bei den Unterstützern so hoch? Das ist doch einer genaueren Betrachtung wert. Denn sowohl Steimles Verhalten als auch die Reaktionen seiner Freunde stehen in einem Zusammenhang, der gesellschaftspolitisch relevant ist.

Steimle musste gehen, so die Begründung der Dreiländeranstalt, weil der viel geschätzte Fernsehheld den MDR und andere Sender wiederholt schlecht gemacht hat, indem er mangelnde Meinungsfreiheit bei den Öffentlich-Rechtlichen und fehlende Unabhängigkeit von der Politik beklagte.

Der Konflikt ist über längere Zeit gereift. Vor allem auch deshalb, weil Steimle, der sich selbst einmal als Wähler der Linken bezeichnet hat, in den vergangenen Jahren erkennbar in Richtung des rechtspopulistischen Ufers gerudert ist.

Steimle äußerte offene politische Breitseiten

So erklärte Steimle 2018 in einem Interview mit der Wochenzeitung „Junge Freiheit“, einem Sprachrohr der neuen Rechten, die Wahrheit sei eben, „dass wir keine eigene Politik haben, weil wir ein besetztes Land sind.“ Gemeint war die unterstellte Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten von Amerika. Deutschland sei kein souveräner Staat, sondern „Besatzungsgebiet der USA“, legte Steimle nach.

Er zielt mit solchen offenen politischen Breitseiten, aber auch mit indifferenten Witzchen und süffisanten Anspielungen gern in Richtung der USA, aber auch auf Israel. Dabei hat er ein Grundrauschen erzeugt, das verbreitete Ressentiments bedient und schürt. Wenn aber Hetze im Gewand der Satire auftritt, wird sie dadurch ja nicht legitimiert.

Zur vermeintlichen Abhängigkeit öffentlichrechtlicher Medien sagte Steimle der „Jungen Freiheit“, inzwischen wisse jeder, „dass etwa Atlantikbrücke-Mitglied Claus Kleber der Karl-Eduard von Schnitzler der BRD ist, zusammen mit seiner Marionetta Slomka“. Ein übles verbales Foul, das der Mitteldeutsche Rundfunk seinerzeit rügte.

Steimle als Unterzeichner der „Gemeinsamen Erklärung 2018“

Zudem gehört der 1963 in Dresden geborene Steimle, der als „Polizeiruf“-Kommissar Jens Hinrichs jahrelang für den Norddeutschen Rundfunk tätig war, zunächst an der Seite des unvergessenen Kurt Böwe, zu den ersten Unterzeichnern der „Gemeinsamen Erklärung 2018“. Darin hatten sich Politiker, Schriftsteller und Publizisten wie Thilo Sarrazin, Uwe Tellkamp, Vera Lengsfeld, Eva Herman, Henryk M. Broder und Matthias Matussek besorgt über eine „illegale Masseneinwanderung“ geäußert, die Deutschland beschädige.

Schon nach dem Ende seiner Fernseh-Ermittlertätigkeit in Schwerin hatte Steimle eine politische Verschwörung und Zensur gewittert, wovon er auch jetzt nach dem Rauswurf beim MDR wieder spricht. Auch seine Unterstützer sehen den Unterhalter als Opfer und glauben offenbar fest daran, was Pegida und andere als Mantra und stets griffbereiten Kampfbegriff verwenden: Man könne in Deutschland nicht frei seine Meinung sagen.

Und das rufen diese Leute seit Jahren und völlig unbehelligt auf Dresdner und anderen Plätzen lauthals in die Welt. Den schreienden Widerspruch zwischen Behauptung und Wirklichkeit scheinen viele nicht zu bemerken. So falsch die These von der geknebelten Volksmeinung also ist, um so eiserner wird sie doch hergebetet. Und dann ist auch gleich die Rede von russischen oder chinesischen Dissidenten, um die man in der „Lügenpresse“ Krokodilstränen vergieße, während der arme Steimle nun „Berufsverbot“ erhalten habe.

Uwe Steimle und seine Fans: Demokratie und Diktatur

Hat er nicht. Sein Sender hat sich von ihm getrennt. Aber Steimle darf selbstverständlich auf jeder Bühne der Republik stehen, die man ihm gibt - in Kulturhäusern und auf Marktplätzen. Oder bei YouTube. Und eingesperrt wurde er übrigens auch nicht.

Das ist ein nicht ganz unwesentlicher Unterschied zwischen einer Demokratie, in der wir leben, und einer Diktatur, die in der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert gleich zwei Mal auftaucht, wenn auch in unterschiedlicher Form.

An den Spätfolgen, vor allen den geistigen, laboriert man zumal im Osten der Republik noch immer unübersehbar. Die entscheidende Frage ist aber, ob man das wahrhaben will. Oder sich lieber in verschwörungstheoretischem Selbstmitleid suhlt.

So laufen die Dinge derzeit in Deutschland. Die Meinung eines Teils der Mitte ist deutlich nach Rechts gerückt, Politik und Medien (beide gewiss nicht fehlerfrei) werden zu Schuldigen eines nicht erkennbaren Elends gemacht. Und Uwe Steimle, der den Rächer der Enterbten gibt, wird zum Märtyrer erklärt. Da reibt man sich die Augen. Aber hält man den Kopf nur schräg genug, sehen die Dinge eben schief aus. Wie in Steimles Welt. (mz)