Ute Lohse Ute Lohse: Chaos und Ordnung
Halle (Saale)/MZ. - Es kostet viel gutes Zureden, dass sich Ute Lohse für ein Porträtfoto bereitfindet. Aber es muss sein, die hallesche Künstlerin feiert am Sonntag ihren 70. Geburtstag. Schließlich kennt man sie, offen wie sie ist für die Kunst anderer und keine Ausstellungseröffnung und keinen Burg-Rundgang auslässt, wo sie im Gespräch manch kluge Beobachtung beizusteuern weiß. Doch selber möchte sie lieber gar nicht beachtet sein.
"Ich mache doch eigentlich gar keine Kunst", protestiert sie, schränkt aber ein: "Wichtig an meiner Arbeit ist nicht die Kunst, sondern das Tun". Aber sie bedauert doch, dass die Broschüre, die ihr das Land Sachsen-Anhalt mit Texten von Johannes Stahl und Cornelia Wieg gesponsert hat, bis vor kurzem nirgends erhältlich war. Dass zur Feier des Tages keine noch so kleine Ausstellung ihres Werks zu sehen ist, nimmt sie hin.
Also kein Aufhebens um ihre Person, machen wir es kurz. Immerhin gibt es Arbeiten von ihr, die sind öffentlich genug. Die haushohe Fresko-Malerei im Treppenhaus der Halberstädter Arbeitsagentur zum Beispiel, 1997 geschaffen, oder die nicht minder imposanten Beton-Plastiken an der Helios-Klinik Schkeuditz von 2005. Ihr Kunstbegriff kann sich auch in der Zusammenarbeit mit anderen Akteuren erfüllen. 1994 gestaltete sie in der Moritzburg die Ausstellung "Plastik im 20. Jahrhundert" mit Raumteilern und Wänden, bespannt mit Zeitungspapier. Das versetzte die Skulpturen in ein dicht gewebtes, aber unregelmäßiges Raster und zugleich einen Gegenwartsbezug. Und bei der jüngsten Gemeinschaftsausstellung hallescher Keramikerinnen hat sie die titelgebende "Musterküche" gezimmert.
"Konkrete Kunst" ist der Begriff, der zu Ute Lohses Werk am ehesten in den Sinn kommt. Die historischen und die heute noch aktiven Repräsentanten dieser Strömung sehen in geometrischen Körpern ein Gleichnis für die konstruktiven Gesetze der Natur. Ute Lohse sagt, sie erkenne die Verwandtschaft, aber dazugehören will sie zu der Strömung nicht. Auch die Reminiszenz der Plastiken von Max Bill mit ihren Ursprüngen aus den raumplastischen Etüden des Bauhauses scheint in ihrer Skulptur der "Sieben Module" mehr der äußerlich ähnlichen Beschäftigung mit übereinander getürmten Würfeln geschuldet zu sein. Ihr genügt die skulpturale Form nicht, sie spielt mit ihnen unter anderem in Lichtprojektionen.
Die Verwandtschaft liegt aber in der Suche nach der Ordnung hinter den Dingen, ebenso ihre Verwandlung unter den Bedingungen der Kunst. In Zeichnungen kann Ute Lohse sich bis zur Besessenheit am Widerstreit von Räumlichkeit und Fläche abarbeiten. "Schichtungen" heißen solche Blätter oder "Felsen Bretagne", in der ein tektonisches Konstruktionsprinzip nicht zum Regelmaß wird, sondern wuchert - ein Prinzip, das sie in Halberstadt zur monumentalen Kaskade verschachtelter, dreidimensionaler Körper ausweitet.
Doch sie findet auch zu minimalistischer Strenge. Das "Terrakelum" in Schkeuditz tut in entwaffnender Einfachheit genau das, was sie vorgibt: "Himmel und Erde zu verzahnen". Dabei durchbricht die Reihung der abwechselnd aufrecht und umgekehrt gestellten, kantigen U-Formen die strenge Ordnung durch ungleiche Abstände. Diese innere Lebendigkeit erfüllt auch ihre modularen Gitter- und Kastenskulpturen. Sie erproben ein Wachstum in prinzipiell endloser Fortsetzbarkeit in Tiefe, Breite und Höhe. So leistet sie einen Beitrag von eigenwilliger, manchmal exzentrischer Natur zur Konkreten Kunst. Das hat auch mit ihrem Werdegang zu tun, vom Zeichenzirkel zur Feinmechaniker-Lehre zur Hochschule für industrielle Formgestaltung, nebst Facharbeiterlehre in Bürgel. Von 1974 bis 1978 teilte sie eine Werkstatt mehr neben als mit Gertraud Möhwald. Per Zufall entdeckte sie die Wirkung von Kratzspuren als grafische Oberflächengestaltung von Keramik. Mittlerweile spielt sie Netz- und Gitterstrukturen als Ordnungsprinzipien nicht mehr nur im Ton, sondern in Skulptur, Fotografie, Lichtprojektionen durch.
In diesem Sinn hat sie 1995 am Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Halle auch einen Garten gestaltet. Wegen mangelnder Pflege ist vom Ordnungssinn der Kunst unter dem wuchernden Treiben der Natur nicht mehr viel zu erkennen, aber irgendwann wird man sich auf dieses Werk besinnen.
Die Broschüre "Ute Lohse, Arbeiten 1988-2008, ist im Landeskunstmuseum Moritzburg in Halle erhältlich, Preis 9 Euro.