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USA USA: Christie's veranstaltete die teuerste Auktion aller Zeiten

Von Nada Weigelt 09.11.2006, 12:57
Das Gemälde «Nature morte aux fruits et pot de gingembre» von Paul Cezanne wird bei einer Vorbesichtigung im Auktionshaus Sotheby's in New York betrachtet. (Foto: dpa)
Das Gemälde «Nature morte aux fruits et pot de gingembre» von Paul Cezanne wird bei einer Vorbesichtigung im Auktionshaus Sotheby's in New York betrachtet. (Foto: dpa) EPA

New York/dpa. - Mit fast einer halben Milliarde Dollar Umsatz konnte das Kunsthaus Christie's bei der Versteigerung von impressionistischer und moderner Kunst die teuerste Auktion aller Zeiten feiern. Innerhalb von gut zwei Stunden wechselten in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag Gemälde für 491 Millionen Dollar (rund389 Millionen Euro) den Besitzer - das war fast doppelt so viel, wieder Erzrivale Sotheby's bei der bisherigen Rekordversteigerung 1990mit 286 Millionen Dollar eingefahren hatte. «Heute Nacht wurdeGeschichte geschrieben», befand der Ehrenvorsitzende von Christie'sund Auktionator des Abends, Christopher Burge.

Das große Geld brachten vor allem Kunstwerke, die wegen ihrerdunklen Geschichte in der NS-Zeit erst vor kurzem an die Nachfahrender Nazi-Opfer zurückerstattet worden waren: Vier Klimt-Gemälde, dieÖsterreich nach einem jahrelangen Rechtsstreit Anfang des Jahres andie Erben zurückgeben musste, trugen zusammen 192 Millionen Dollarein. Und ein Meisterwerk des deutschen Expressionismus, Ernst LudwigKirchners «Berliner Straßenszene» (1913), kam nach dem erbittertenRückgabe-Streit in Deutschland für 38 Millionen Dollar unter denHammer.

Nur ein wertvolles Picasso-Bild, das in der Nazizeit einemjüdischen Bankier gehört hatte, wurde unter dem Eindruck einerdrohenden Klage in letzter Sekunde von der Auktion zurückgezogen.Eine deutsch-schwedische Erbengemeinschaft, angeführt von demPotsdamer Historiker Julius H. Schoeps, hatte angekündigt, dieBesitzfrage gerichtlich klären zu lassen. Zwar war die Gruppezunächst aus formalen Gründen bei einem US-Bundesgericht abgeblitzt,will sich jetzt aber an das zuständige Gericht des Bundesstaates NewYork wenden. Sie bezweifelt, dass das Porträt des Picasso-FreundesAngel Fernandez de Soto während der Nazi-Zeit rechtmäßig verkauftwurde.

Angesichts der unsicheren Rechtslage dürften die Verkäufer wohl umihren auf bis zu 60 Millionen Dollar geschätzten Kaufpreis gefürchtethaben - Christie's und der derzeitige Eigentümer, der britischeMusicalkomponist Andrew Lloyd Webber, verzichteten kurzfristig aufdie Versteigerung - «mit großem Bedauern», wie sie mitteilten. Manwolle «sehr sensibel» mit den schwierigen Fragen aus der NS-Vergangenheit umgehen, versicherte Christie's Vormann Burge.

Wie heikel die Gratwanderung zwischen der moralischenVerpflichtung gegenüber den Opfern und den knallharten Regeln desKunstmarktes ist, machte der Abend eindrucksvoll deutlich. AlsKirchners «Straßenszene» aufgerufen wurde, um die in Berlin Museenund Kunstfreunde bis zuletzt verzweifelt gekämpft hatten, konnten dieelektronischen Preistafeln dem Trommelfeuer der Gebote kaum folgen.Nach einem Einstiegspreis von zwölf Millionen Dollar rasten dieZiffern Million um Million bergauf, bis nach kaum fünf Minuten dieKunsthändlerin Daniella Luxembourg für 38 Millionen Dollar denZuschlag erhielt - für ein deutsches Museum ein Preis jenseits allerVorstellungen. Luxembourg kaufte das Bild im Auftrag der NeuenGalerie für deutsche und österreichische Kunst, die an der FifthAvenue in Manhattan unweit des Central Park ein Magnet fürKunstfreunde aus Europa ist.

Der Besitzer, der US-Kosmetikgigant Ronald Lauder, der 1998 auchdie Washingtoner Konferenz zur Rückgabe von NS-Raubkunst mitangestoßen hatte, war bei der Auktion eine heimliche Schlüsselfigur.Denn mit Spannung wurde erwartet, ob der Kunstliebhaber nach dem Kaufdes Klimt-Gemäldes «Adele Bloch-Bauer I» mit dem Spitznamen «DieGoldene Adele» für 135 Millionen Dollar im Juni jetzt auch dasSchwesterbild «Adele Bloch-Bauer II» erwerben würde. Das herrlichePorträt aus dem österreichischen Klimt-Paket holte mit fast 88Millionen Dollar den Spitzenpreis des Abends und schlug Paul Gauguinszweitplatzierten «Mann mit der Axt» um mehr als das Doppelte.

«Ein privater Sammler» - das war alles, was über den Adele-Käuferzu erfahren war. Lauders Neue Galerie habe keinen Klimt erstanden,hieß es. Verkäuferin Maria Altmann, die hochbetagte Nichte dereinstigen Wiener Zuckerfabrikantengattin Adele Bloch-Bauer, wargleichwohl zufrieden. «Meine Tante Adele und Onkel Ferdinand haben esgeliebt, mit diesen Bildern zu leben und sie zu teilen, und wirvertrauen darauf, dass ihre neuen Besitzer an diese Tradition derWertschätzung anknüpfen.» Freilich: In ihrem Testament hatte sichAdele Bloch-Bauer gewünscht, das die Bilder immer in der GalerieBelvedere in Wien hängen bleiben.

Das Porträt «Adele Bloch-Bauer II» von Gustav Klimt. (Foto: dpa)
Das Porträt «Adele Bloch-Bauer II» von Gustav Klimt. (Foto: dpa)
APA