Urteil gegen Bild-Zeitung Urteil gegen Bild-Zeitung: Jörg Kachelmanns Triumph ist ein Sieg für die Pressefreiheit

Fast jede juristische Niederlage der Bild-Zeitung ist ein Sieg für die Pressefreiheit. So ist das Urteil des Landgerichts Köln, das Jörg Kachelmann gegen den Springer-Verlag das einmalig hohe Schmerzensgeld von 635.000 Euro zugesprochen hat, auch nur auf den ersten Blick vor allem ein Erfolg des Wettermoderators. Aber das ist es natürlich auch.
Schon vor der Anklage gegen Kachelmann wegen Vergewaltigung einer Geliebten, während des Prozesses und selbst noch nach seinem rechtskräftigen Freispruch hat das Blatt Kachelmanns Ruf mit einem Pesthauch von Vorverurteilung und gröbster Persönlichkeitsrechtsverletzung zu ersticken versucht. Als Gehilfin assistierte Alice Schwarzer, die als Feministin anzusprechen seit Längerem als Verleumdung des Feminismus betrachtet werden muss (sie wirkt heute wie die Rache männlicher Chauvinisten an emanzipierten Frauen und dem übrigen denkenden Teil der Menschheit). Zwar ist Kachelmanns Renommee dank dieser Bemühungen vermutlich unwiderruflich ruiniert. Immerhin aber verschafft ihm die exzeptionell hohe Entschädigung zumindest teilweise Genugtuung. Ist die hohe Summe hoch genug? Selbst die Bild-Zeitung scheint erwartet zu haben, dass das Landgericht den Unwert ihrer journalistischen Miasmen noch höher veranschlagen werde. In ihrer Online-Ausgabe titelte sie unmittelbar nach der Urteilsverkündung: „Keine Millionen für Kachelmann“. Ja, das ist schade – verdient hätte er sie.
Die Bild-Zeitung ist eine "Fehlentwicklung" des Journalismus
Der eigentliche Profiteur der Entscheidung ist jedoch wieder einmal die Pressefreiheit. Warum das so ist, ergibt sich aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vor 34 Jahren. Damals, am 20. Januar 1981, erkannte der VI. Zivilsenat im Boulevard-Blatt „Fehlentwicklungen eines Journalismus“, der die Aufgabe der Presse und ihre Verantwortung aus dem Auge verloren habe. Mit diesen ebenso höflichen wie klaren Worten wiesen die Bundesrichter eine Klage der Zeitung gegen den Journalisten Günter Wallraff zurück, der in seinem berühmt gewordenen Buch „Der Aufmacher“ ihre einschlägigen Arbeitsmethoden eindrücklich beschrieben hatte. Seit diesem Urteil ließ das Blatt keine Gelegenheit verstreichen, die höchstrichterliche Bewertung nach Kräften zu bestätigen. Tag für Tag erfreut es unablässig mit einer Melange von Rufmord, Halbwahrheit und Lüge.
Mit anderen Worten: Zwar erstreckt sich der grundrechtliche Schutz der Pressefreiheit auch auf die Bild-Zeitung – kein Paradies ohne Schlange –, andererseits erstreckt sich die journalistische Kernkompetenz der Bild-Zeitung auf die sumpfigen Gebiete jenseits der Pressefreiheit. Deshalb erinnert jede juristische Niederlage des Blatts wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten den anderen, besseren Teil der Medien an den Wert ihrer Arbeit und die Notwendigkeit medialer Aufklärung. Darin liegt also die eigentliche Bedeutung des Urteils des Kölner Landgerichts: Es macht klar, dass die Bild-Zeitung auch 34 Jahre nach dem BGH-Urteil als „Fehlentwicklung“ des Journalismus angesehen werden muss. Wer muss es so ansehen? Der Journalismus, der diese Bezeichnung verdient.