Die Pille mit der Brille Urte Blankenstein hat als "Frau Puppendoktor" in der DDR Fernsehgeschichte geschrieben: Sie war die Pille mit der Brille:

Halle (Saale) - Gelb. Ihre Arbeitsbekleidung, der Arztkittel, war gelb, nicht weiß. Da die Kurzfilme mit Frau Puppendoktor Pille aber anfangs in Schwarz-Weiß gedreht wurden, fiel das den Zuschauern des „Abendgrußes“ im DDR-Fernsehen nicht auf. Gerade wegen der Schwarz-Weiß-Aufnahmen durfte der Kittel nicht von reinem Weiß sein.
„Da wir Film drehten, hätte das Licht beim Drehen auf den alles überstrahlenden weißen Kittel eingestellt werden müssen“, schreibt Urte Blankenstein alias Frau Puppendoktor Pille in ihrer Autobiografie. Deren Titel leitet sich her von jenem Vierzeiler, den sie am Ende einer jeden Folge sagte: „Habt ihr Kummer oder Sorgen, / dann schreibt gleich morgen / an Frau Puppendoktor Pille / mit der großen, klugen Brille.“
Besagter Sehhilfe - die sie nur aufsetzte, wenn sie ihren bekannten Spruch aufsagte - fehlten nicht nur die Gläser, es handelte sich nicht einmal um ein richtiges Gestell vom Optiker, sondern man hatte die Brille aus Blech gestanzt. Auch die schwarzen, zu zwei kecken Zöpfen geflochtenen Haare waren nicht echt, sondern eine Perücke. Tatsächlich hat „die Pille“, wie Urte Blankenstein von ihren Fans noch immer gern genannt wird, kaum zu bändigendes Lockenhaar.
Frau Puppendoktors kleine Assistentin Trullala
Bis heute ist die 1943 im ostpreußischen Pillau geborene, in Wismar und Schönebeck (Elbe) aufgewachsene und seit dem Schauspielstudium in Berlin lebende Künstlerin in der Paraderolle als Puppendoktorin zu erleben. Seit 1988 zwar nicht mehr im Fernsehen, dafür aber auf den Bühnen in Ost- und Westdeutschland.
Bei ihren Programmen wird Urte Blankenstein von einer Handpuppe, Frosch Quaki, begleitet, den sie zu DDR-Zeiten bei einem Gastspiel in Belgien gekauft hatte. In den „Abendgruß“-Folgen stand ihr mit dem Lumpenpüppchen Trullala eine kleine Krankenschwester zur Seite. Die Pille-Filme entstanden damals in Mahlsdorf bei Berlin, in einem einzeln stehenden Haus im Wald. „Wir drehten dreimal im Jahr jeweils 14 Tage. Das hieß, jeden Tag entstanden zwei bis drei Abendgrüße. Wenn ein Kind mitspielte, oftmals auch nur ein einziger“, erinnert sich die Schauspielerin.
Sie war übrigens die dritte Frau Puppendoktor. Vor ihr hatten die Rolle Helga Labudda und Angelika Brunner inne. Zur Berühmtheit wurde Frau Doktor aber erst durch die einfühlsame Stimme und das unnachahmliche Lächeln von Urte Blankenstein.
Der öffnete sich bald das Tor in die große, weite Welt. Gemeinsam mit dem Magier Peter Kersten, der im DDR-Fernsehen die Kindersendung „Zauber auf Schloss Kuckuckstein“ moderierte, gab sie schon in den 80er Jahren Gastspiele in ganz Westeuropa. Bei einem Zauberkongress in Brüssel, so berichtet Urte Blankenstein in einer Anekdote, fragte eine Dame bei ihr nach, ob sie wirklich aus der „Zone“ sei. Als sie bestätigte, dass sie aus der DDR komme, hakte die Frau nach und wollte wissen, warum sie denn so gut Deutsch spreche. „Weil ich Deutsche bin“, entgegnete Urte Blankenstein. Darauf ihr Gegenüber entgeistert: „Nein, nein, das kann nicht sein, die sprechen dort Russisch.“
Als Dr. Spielspaß im Westen
Ab 1982 weilte sie mit ihrem eigenen Kinderprogramm, in dem sie - um Konflikte mit der DDR-Kulturbürokratie zu vermeiden - als „Dr. Spielspaß“ zu erleben war, zwei- bis dreimal im Jahr für mehrere Wochen in Villingen-Schwenningen und bespielte in dieser Zeit Baden-Württemberg.
Trotz der Rolle ihres Lebens, ist Urte Blankenstein nicht auf die Puppendoktorin zu reduzieren. Sie moderierte zu DDR-Zeiten zahlreiche TV-Sendungen wie „Von Polka bis Parademarsch“ und „Tele-Lotto“. Von all dem berichtet sie in ihrem Buch ebenso wie über den Tiefpunkt ihrer Karriere. Den erreichte sie mit der deutschen Einheit, als sie in der vergrößerten Bundesrepublik künstlerisch bei Null beginnen musste, wobei im Westen galt: „Ich war nicht mehr die Exotin, ich war jetzt die Ossi.“ Doch das Publikum im Osten hat, trotz Kummer und Sorgen, seine Puppendoktorin Pille nie vergessen.
››Urte Blankenstein: „Habt ihr Kummer oder Sorgen … Mein Leben als Frau Puppendoktor Pille“, Verlag Bild und Heimat, 255 Seiten, 17,99 Euro (mz)
